Tod durch zwei gezielte Kopfschüsse

Der türkische Historiker Necip Hablemitoglu wird in Ankara vor seinem Haus ermordet. Eins seiner Bücher ist die Grundlage für staatsanwaltliche Ermittlungen gegen mehrere deutsche politische Stiftungen. Die stehen ab kommender Woche vor Gericht

aus Istanbul JÜRGEN GOTTSCHLICH

In der Nacht zu gestern wurde der Historiker Necip Hablemitoglu in Ankara vor seinem Haus erschossen. Der 48-jährige Dozent war zuletzt öffentlich in Erscheinung getreten, als er in einem Buch den in der Türkei tätigen deutschen Stiftungen vorwarf, Spionage zu betreiben. Das Buch war zur Grundlage staatsanwaltlicher Ermittlungen geworden und hatte zu einer Anklage gegen vier deutsche Stiftungen, das Orientinstitut und einige türkische NGOs geführt. Der Prozess soll am 26. Dezember beginnen.

Innenminister Abdülkadir Aksu sagte, die Hintergründe des Attentats seien völlig offen. Präsident Ahmet Sezer sprach von einem Terrorakt mit politischem Hintergrund. Nach Angaben der Polizei wurde Hablemitoglu mit zwei gezielten Schüssen in den Kopf getötet. Die Täter hätten ihm vor seinem Haus aufgelauert und ihn ermordet.

Hablemitoglu gehörte zum harten Kern nationalistischer Kemalisten, die allenthalben Verschwörungen und Angriffe gegen die Türkische Republik wittern. In enger Zusammenarbeit mit einem der berüchtigsten Staatsanwälte des Staatssicherheitsgerichts in Ankara, Nuh Mete Yüksel, war Hablemitoglu zuerst gegen die „islamische Gefahr“ zu Felde gezogen und hatte zuletzt die deutschen Stiftungen ins Visier genommen. Eine der größten Sekten unter der Führung des als moderat geltenden Predigers Fethullah Gülen wurde auf Betreiben von Nuh Mete Yüksel verboten. Für dieses Verfahren leistete Hablemitoglu mit Veröffentlichungen eine ähnliche Vorarbeit wie gegen die deutschen Stiftungen.

In seinem Buch „Das Gold von Bergama und die deutschen Stiftungen“ behauptet Hablemitoglu, die deutschen Stiftungen hätten im Auftrag des Bundesnachrichtendienst zu verhindern versucht, dass in der Türkei Gold abgebaut wird. Deshalb hätten sie die Bürgerinitiative von Bergama, die sich seit Jahren erfolgreich gegen den Goldabbau mit Zyanit wehrt, unterstützt. Das Motiv sei, dass die Bundesrepublik selbst Gold in der Türkei verkaufen wolle. Das Buch ist eine einzige Verschwörungstheorie, an der das einzig Bemerkenswerte war, dass Staatsanwalt Nuh Mete Yüksel sie zum Vorwand nahm, um Ermittlungen gegen die Stiftungen einzuleiten. Das führte zu diversen Hausdurchsuchungen und Vorladungen und zur Eröffnung eines Verfahrens.

Dass Hablemitoglu nun eine Woche vor Prozessbeginn ermordet wurde, gibt zu vielen Spekulationen Anlass. Zumal auch Staatsanwalt Nuh Mete Yüksel unter obskuren Umständen bereits im Oktober aus dem Amt entfernt wurde. Aufgrund eines Sexvideos, auf dem er mit der Frau eines Kollegen zu sehen ist, wurde er von der damaligen Justizministerin noch unter der Regierung Ecevit auf einen untergeordneten Posten versetzt.

Die Bundesregierung hat mehrfach gegen die „haltlosen Vorwürfe“ protestiert und eine Einstellung des Verfahrens gefordert. Ecevit und später Präsident Sezer hatten dagegen auf die Unabhängigkeit der Justiz verwiesen.