: Die Banken sind im Streik
Deutsche Kreditwirtschaft will die Zinssenkung der EZB nicht an ihre Kunden weitergeben
von HERMANNUS PFEIFFER
Banken und Sparkassen weigern sich standhaft, den großen Zinsschritt der Europäischen Zentralbank (EZB) mitzumachen. Nach der Zinssenkung um 0,5 Prozent kündigte Bankenpräsident Rolf Breuer an, die Zinsen nicht zu senken. An der Situation habe sich nichts geändert, versicherte gestern der Bankenverband in Berlin. Politiker sind empört.
Die privaten Institute würden die Zinssenkung der EZB nicht mitmachen, hatte der Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB), Rolf Breuer, bereits vor einer Woche angedroht. „Das können wir uns hier nicht erlauben“, sagte Breuer im Frankfurter Journalistenklub. Der Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Bank verwies auf die schwierige wirtschaftliche Lage der Kreditwirtschaft, die unter dem Krach an den internationalen Börsen leide und nun wieder auf das klassische Kreditgeschäft setzen wolle. Hohe Zinsen gelten dabei eher als dienlich. Breuer löste mit seiner Bemerkung eine Welle der Entrüstung aus. DGB-Chef Sommer sprach von „skandalös“, Wirtschaftsminister Clement von „keinem guten Signal“. Einige private Banken dementierten ebenso schnell wie der Verband der Sparkassen und der Bundesverband der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken.
Der private Bankenverband in Berlin hält sich seit der vorlauten Bemerkung Präsident Rolf Breuers lieber bedeckt. „Wir können nicht für die Zinspolitik der einzelnen Banken sprechen“, wiegelt ein Verbandssprecher ab und nennt kartellrechtliche Gründe. Breuer habe als Bankpräsident nur über die Erwartungen am Markt gesprochen, „nicht mehr, nicht weniger“. Ansonsten wolle man abwarten, wie der Markt reagiert. Dagegen gibt sich das Bundeskartellamt in Bonn überaus skeptisch. „Wir gehen dem nach“, bestätigt ein Sprecher gegenüber der taz, „mehr können wir noch nicht sagen.“ Möglicherweise verstieß Breuer gegen das so genannte Empfehlungsverbot im Kartellrecht.
Inzwischen marschieren einige Banken und Sparkassen sogar in die entgegengesetzte Richtung der Zentralbank. So erhöhte beispielsweise die Sparkasse Bonn ihren Dispositionszinssatz um 0,5 Prozentpunkte auf 12,75 Prozent. „Die Kreditinstitute befinden sich im Wettbewerb“, rechtfertigt der ebenfalls in Bonn ansässige Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) die Unbotmäßigkeit der Sparkasse vor Ort. Letztlich liege die Entscheidung im Ermessen jedes einzelnen Instituts und da wolle sich der Verband trotz Zins-Dementi lieber nicht einmischen.
Dabei hatte die EZB mit der drastischen Senkung ihres Leitzinses von 3,25 auf nur noch 2,75 Prozent – erwartet worden waren 3,00 Prozent – ein unübersehbares Zeichen setzen wollen. Ein Zinsschritt über 0,5 Prozentpunkte gilt als sehr groß und ungewöhnlich für die bedächtige EZB. Durch billigere Darlehen soll die dahindümpelnde Euro-Wirtschaft endlich wieder auf Trab gebracht werden. Diese Aufschwungchance wird nun von großen Teilen der deutschen Geldgiganten kaputt erhöht.
Allerdings sind die Verleiher in ihren Entscheidungen vollkommen frei. Seit 1967 werden die Soll- und Habenzinsen nicht mehr vom Staat vorgeschrieben. Mittlerweile ist der Zusammenhang zwischen Leitzinsen und den Bankzinsen vor Ort eher locker. Unmittelbar wirken sie nur bei der so genannten Refinanzierung, also der Geldbeschaffung der Banken. Diese erfolgt jedoch keineswegs allein über die EZB, an die kleinere Banken und viele Sparkassen ohnehin nicht direkt herankommen. Wichtiger für die Geldbeschaffung als die EZB sind die Anleger, vom Sparbuchbesitzer bis zum Finanzchef von Siemens. Bedeutend ist auch die Refinanzierung über andere Banken und die Geldbeschaffung auf den internationalen Finanzmärkten. Die Leitzinssenkung ist ein Fingerzeig der Europäischen Zentralbank, dem kann gefolgt werden oder eben nicht.