Bayern drängt Union zur Blockade

Nach dem Karlsruher Urteil zum Zuwanderungsgesetz holt die Union ihre 91 Änderungsanträge wieder aus der Schublade.Der grüne Politiker Volker Beck fordert die eigene Partei zu Kompromissbereitschaft auf: „Das wird ein schmerzhafter Prozess“

von LUKAS WALLRAFF

Von den Grünen kam ein erstes Angebot an die Union. Nach dem vorläufigen Scheitern des Zuwanderungsgesetzes vor dem Bundesverfassungsgericht solle man den „ganzen Argumentationsschrott“ aus dem Wahlkampf vom Tisch räumen und nach einer Lösung suchen, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der grünen Bundestagsfraktion, Volker Beck. „Man muss manchmal, wenn man zu einem Ergebnis kommen will, auch über den eigenen Schatten springen“, sagte Beck – und warnte schon mal seine eigene Partei: „Das wird auch für uns ein schmerzhafter Prozess.“

Wie schmerzhaft, deutete sich schon gestern an. Die Union werde mit 91 Forderungen in die neuen Verhandlungen über das Zuwanderungsgesetz gehen, erklärte der bayerische Bundesratsminister Reinhold Bocklet (CSU) in Berlin. CSU-Chef Edmund Stoiber und die CDU-Vorsitzende Angela Merkel hätten sich bei einem Gespräch geeinigt, sämtliche Änderungsanträge wieder auf den Tisch zu bringen, die von der Union schon vor einem Jahr vorgelegt worden waren.

Die Ankündigung der Bundesregierung, das Zuwanderungsgesetz im Januar unverändert wieder in den Bundestag einzubringen, nannte Bocklet eine „Provokation“. Besser wäre es nach seiner Ansicht, die Koalition würde die Forderungen der Union schon vor den im Frühjahr 2003 geplanten Verhandlungen im Vermittlungsausschuss berücksichtigen. Dazu gehört nach Auskunft des bayerischen Innenministeriums, Zuwanderung „nur für Höchstqualifizierte“ zuzulassen.

Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) deutete dagegen an, dass die Union zu Abstrichen an ihren Positionen bereit sei. Der CDU-Zuwanderungsexperte forderte die Regierung lediglich auf, der Union in den „zentralen Punkten“ entgegenzukommen. Auf die Frage, bei welchen Fragen die CDU/CSU ihre Haltung überdenken würde, sagte er: „Es gibt zahlreiche weitere Punkte, die in einem Vermittlungsverfahren noch einmal zu diskutieren sind, zum Beispiel die Frage des Nachzugsalters für Kinder.“

Aus dem Umfeld des bayerischen Innenministers Günther Beckstein (CSU) hieß es, man sei „nicht besonders glücklich“ über eine Feststellung von Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) aus der letzten Woche. Bei der Vorstellung seines Buchs „Beim Wort genommen“ hatte Koch gesagt: „80 bis 90 Prozent des Gesetzes sind unstreitig.“