Obama hat Freifahrt für TTIP

MEHR MACHT Der US-Senat ermöglicht die baldige Abstimmung über das „Fast Track“-Gesetz, mit dem der Präsident Freihandelsabkommen leichter durchdrücken kann

„Ein großer Tag für das große Geld, nicht aber für arbeitende Familien“

BERNIE SANDERS, SENATOR

VON DOROTHEA HAHN

WASHINGTON taz | Gemeinsam mit der Spitze der republikanischen Partei und gegen die Mehrheit der DemokratInnen im Kongress sowie gegen den Widerstand von Gewerkschafts- und Umweltbewegung hat Barack Obama am Dienstag im zweiten Anlauf einen Sieg davongetragen. Der Senat stimmte mit der Mehrheit von einer Stimme einem Verfahrenstrick zu. Damit wird es wahrscheinlich, dass noch in dieser Woche ein unterschriftsreifes „Fast Track“-Gesetz auf dem Schreibtisch des Präsidenten landet.

Mit dem Gesetz gibt der Kongress dem US-Präsidenten für sechs Jahre die Vollmacht, praktisch ohne parlamentarische Kontrolle über neue Freihandelsverfahren zu verhandeln. Am Ende der Verhandlungen hinter verschlossenen Türen darf der Kongress das Resultat lediglich annehmen oder ablehnen.

Als Erstes soll das „Fast Track“-Verfahren auf das seit Jahren in Verhandlung befindliche Freihandelsabkommen zwischen zwölf Pazifik-Anrainerstaaten angewandt werden: TPP. Als Zweites – aber voraussichtlich nicht mehr in der Amtszeit dieses Präsidenten – auf das Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union: TTIP.

Nachdem der Senat am Dienstag mit 60 zu 37 Stimmen den Weg zu einer neuen „Fast Track“-Abstimmung freigeräumt hatte, gratulierte umgehend der Präsident der US-Handelskammer, Thomas Donohue. Er sprach von einer „Revitalisierung“ der Wirtschaft, von neuen Arbeitsplätzen für die USA und von „globalem Leadership“.

Gewerkschaften und Umweltverbände hingegen sehen eine folgenschwere Fehlentscheidung. Senator Bernie Sanders, ein linker Kritiker des Gesetzes, sprach von einem „großen Tag für das große Geld, nicht aber für arbeitende Familien“. Die Abstimmung vom Dienstag hat den Weg für ein „Fast Track“-Votum im Senat freigeräumt, das für Mittwoch geplant ist. Bei diesem zweiten Votum sind nur 50 Stimmen für eine Annahme nötig.

Die Mehrheit der RepublikanerInnen und 13 DemokratInnen im Senat haben am Dienstag für das Gesetz gestimmt. Gleichzeitig schlugen sich fünf Republikaner auf die Seite der GegnerInnen. Darunter war auch der Texaner Ted Cruz, der zwei Wochen zuvor noch für „Fast Track“ gestimmt hatte. Er begründete seinen Meinungswandel mit Hinterzimmerabsprachen zwischen den Abstimmungen.

Die Selbstbeschneidung der parlamentarischen Kontrolle war vor zwei Wochen im ersten Anlauf im Repräsentantenhaus gescheitert. Die GegnerInnen neuer Freihandelsabkommen argumentieren vor allem damit, dass die bisherigen Verträge – insbesondere mit dem 1994 in Kraft getretenen Nafta mit Mexiko und Kanada – Hunderttausende Arbeitsplätze in den USA zerstört und die Löhne weiter nach unten gedrückt haben.

Sie kritisieren auch, dass die geplanten Freihandelsabkommen eine Sondergerichtsbarkeit für transnationale Konzerne schaffen und dass Unternehmen Werkzeuge bekommen, um die nationale Umweltpolitik und Arbeitsmarktpolitik auszuhöhlen. Nach Angaben des Gewerkschaftsdachverbandes AFL-CIO hat Nafta für die Schließung von 60.000 Fabriken in den USA gesorgt.

Nach der Niederlage im ersten Anlauf hatte Obama zusammen mit den RepublikanerInnen ein bereits geschnürtes Gesetzesbündel zum Freihandel wieder aufgeschnürt und – zunächst im Repräsentantenhaus – neue Abstimmungen über seine Einzelteile abgehalten. Anschließend gingen sie zurück in den Senat.

Für Obama hat die Freihandelsfrage zu einem neuen Konflikt geführt. Der Präsident ist nun erstmals mit massiver Opposition aus der eigenen Partei konfrontiert.