LESERINNENBRIEFE
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Importierter Kapitalismus

■ betr.: „The Disunited States of America“, taz vom 22. 6. 15

So gut und informativ die Artikel und der Kommentar sind, empfinde ich im Grunde fast nur noch Fatalismus. Und das nicht nur über das Geschehen in den USA, sondern auch über den Umgang mit Flüchtlingen durch die EU, den Umgang mit den Arbeitern in den Vereinigten Arabischen Emiraten, die ja immerhin Mitglieder in der UNO sind, oder generell im Kapitalismus, in dem Menschen lediglich als Humankapital einen finanziellen Wert besitzen. Hier sehe ich extreme Zusammenhänge und halte es für angebracht, vor der eigenen Haustüre zu kehren. Sicher ist, dass der wirtschaftliche Erfolg der USA von jeher auf dem Leid von Menschen aufgebaut war und immer noch ist.

Was kann in dieser Konstellation in den USA verändert werden, wenn der Besitz von Waffen höher bewertet wird, als Menschenleben, weil der Verkauf dieser Waffen so gewinnträchtig ist? Was kann in dieser Konstellation verändert werden, wenn der Gewinn höher bewertet wird, als der Schutz der Umwelt? Der wirtschaftliche Gewinn ist das Maß aller Dinge! Was kann an dieser Konstellation verändert werden, wenn die angeblich älteste Demokratie (Marietta Slomka) in der Realität eine Oligarchie ist, in der nur Millionäre hohe Staatsämter bekleiden können, die dann dafür sorgen, dass die Abgehängten als persönliche Versager dargestellt werden?

Fazit: So wichtig es ist, an dem Geschehen in den USA Kritik zu üben, genau so wichtig ist es, den von dort importierten Kapitalismus, verbunden mit der Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal von Menschen und dem Schutz der Natur, auch bei uns kritisch zu sehen und zu verhindern, dass der Neokapitalismus in unserem Leben weiter wuchert. ALBERT WAGNER, Bochum

Keinen Druck erzeugen

■ betr.: „SPD will Integrationskurse für Flüchtlinge und Geduldete“, taz vom 18. 6. 15

Sprachkurse für Flüchtlinge sind eine sehr gute Idee, um ihnen die Integration zu erleichtern. Allerdings ist es wichtig, dass die Kurse nicht einzig zum Zweck der Profitgier der Unternehmen erfolgen und man keinen Druck erzeugt, falls der Erwerb der deutschen Sprache mühselig ist. JULIA ENGELS, Elsdorf

Politik des Totsparens beenden

■ betr.: „Zwei Gipfel für die Griechen“, taz vom 20. 6. 15

Nach der desaströsen Klientelpolitik der Vorgängerregierungen war Alexis Tsipras angetreten mit dem Ziel, mit den Gläubigern Griechenlands einen ökonomisch tragfähigen und sozial verträglichen Ausweg aus der Schuldenkrise auszuhandeln. Dazu gehört nun sicher nicht das von den „Institutionen“ und vor allem von Wolfgang Schäuble geforderte neoliberale Projekt der „Deregulierung“ des Arbeitsmarktes, der Einschränkung gewerkschaftlicher Rechte und dem Dogma der „Privatisierung um jeden Preis“. Vor dem Hintergrund, dass es in Griechenland keine Sozialhilfe und Arbeitslosengeld nur für ein Jahr gibt, würden Rentenkürzungen die Familien weiterhin ins Elend treiben, für die die Renten der Älteren oft die einzigen Einkünfte darstellen. Die Aufgaben, vor denen Tsipras steht, sind gewaltig, zum Beispiel den öffentlichen Dienst effektiver und kundenfreundlicher zu machen. Schließlich geht aber zur Zeit ein großer Teil seiner Bemühungen dahin, dem Staat das finanzielle Überleben zu sichern. Derzeit glauben führende Ökonomen nicht daran, dass die gewaltige griechische Staatsschuld jemals abzutragen ist und plädieren für einen zumindest „weichen haircut“, dem sogar der Internationale Währungsfonds positiv gegenüber steht. Aber der deutsche Wirtschaftsminister besteht auf seinem strikten „nein“. Dabei denkt er wohl nicht daran, dass auch den Deutschen 1953 mit dem Londoner Schuldenabkommen die Hälfte ihrer Schulden erlassen wurde, während die Restschulden nur aus Exportüberschüssen abzuzahlen waren. So wäre auch den Griechen eine Schuldenentlastung zu wünschen mit dem Ziel, die Politik des Totsparens zu beenden. HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel