: „Wir machen es nicht mehr“
ZUCHT Lange Tests waren nötig, um einen Ausweg zu finden, sagt Brüterei- chef Manfred Söllradl. Sein Biohuhn „Sandy“ legt cremefarbene Eier
■ Der Bauer in Kremsmünster in Oberösterreich ist Chef der Brüterei „Geflügel GmbH Schlierbach“, die seit 2002 Bio-Freiland-Eier vermarktet.
INTERVIEW MANFRED KRIENER
taz: Herr Söllradl, männliche Küken werden in Brütereien gleich nach dem Schlüpfen getötet, weil sie keine Eier legen. Wann haben Sie beschlossen, dass das zumindest im Biosektor aufhören muss?
Manfred Söllradl: Wir haben vor vier Jahren begonnen, ernsthaft darüber nachzudenken. Unsere Firma ist stark im Biobereich engagiert. Natürlich war uns die Problematik sehr wohl bewusst.
Wie hat man sich das eigentlich vorzustellen? Haben Sie einen festen Mitarbeiter, der das Töten dieser possierlichen Geschöpfe jeden Tag erledigt?
Puhh! Ja, das ist für die zuständigen Mitarbeiter mit Sicherheit keine schöne Tätigkeit. Irgendwann kommt ein wenig Routine dazu. Trotzdem bleibt es eine sehr schwierige Arbeit, für die nicht jeder Mitarbeiter geeignet ist.
Jetzt wollen Sie 2016 eine komplett neue Bio-Hennenlinie aufbauen. Und im Jahr 2017 soll endgültig Schluss sein mit dem Kükentöten. Sie haben vier Jahre gebraucht, um eine Lösung zu finden. Warum war das so schwierig?
Weil es viele verschiedene Wege gibt. Da ist zunächst der wissenschaftliche Weg der Früherkennung des Geschlechts im befruchteten Ei. Wir haben irgendwann erkannt, dass diese Lösung nicht so schnell zu realisieren ist. Eine andere Alternative ist das Zweinutzungshuhn …
… bei denen weibliche Küken zu Legehennen und männliche gemästet werden.
Da stellt sich die Frage, welche Rasse dafür infrage kommt. Und soll man den Schwerpunkt eher auf die Legeleistung oder auf die Mastleistung legen. Bei der Suche nach dem richtigen Tier haben wir uns anfangs stark auf die Mastleistung konzentriert.
Sie haben also jahrelang verschiedene Zuchtlinien getestet?
Dazu haben wir einen eigenen Versuchsstall. Wir haben verschiedene Herden jeweils ein Jahr lang beobachtet: Wie viele Eier legen sie und wie entwickeln sich die Hähne?
Und warum haben Sie sich am Ende für „Sandy“ entschieden? Das ist eigentlich gar kein Zweinutzungshuhn, sondern eine reine Legerasse?
Mit den verschiedenen Zweinutzungsrassen hatten wir wenig Freude. Das Ergebnis ist eben immer ein Kompromiss. Das Zweinutzungshuhn ist weder eine richtige Legehenne, noch ist es ein richtiges Masthuhn. Irgendwann kam mir dann der Gedanke, dass eigentlich jedes Huhn ein Zweinutzungshuhn ist, man muss es nur auf zwei Arten tatsächlich nutzen. Also haben wir die Strategie geändert und ein gutes robustes legebetontes Huhn gesucht. Das soll vor allem Eier legen, die Hähne versuchen wir mit dem bestmöglichen Masterfolg aufzuziehen. Und wir wollten ein leicht erkennbares Produkt. Der Kunde soll sofort erkennen: Das ist ein Ei, bei dem der Hahn überlebt hat.
Deshalb die cremefarbenen Eier von Sandy?
Exakt. Der Kunde sieht es gleich an der Farbe und an der spitz zulaufenden Eiform. Sandy ist eine relativ alte Linie, die es schon seit 25 Jahren gibt. Es ist eine Kreuzung zwischen White Rock und Rhodeländer, zwei ganz verschiedene genetische Welten. Sandy hat bei der Eileistung keine Einbußen. Und sie bringt eine gesunde Vitalität mit. Deshalb fiel die Entscheidung für Sandy. Wir brauchen vitale bewegliche Tiere, gerade im Biosektor.
Wie sieht die Mastleistung der Hähne aus?
Sie ist nicht besser als bei anderen Legerassen. Die Tiere brauchen neun statt fünf Wochen bis zum Schlachtgewicht von 1.000 Gramm. Es sind richtige Sportler, diese Hähne und sie brauchen eben ihre Zeit.
Sie haben im Mai die ersten Sandy-Hühner bekommen. Die sollen jetzt Nachwuchs liefern. Wie sieht ihr Fahrplan aus?
Wir haben die ersten zwei Bioherden mit 3.000 Hühnern eingestallt, inklusive der Hähne. Die sind jetzt noch sehr jung. Im Dezember werden wir die ersten befruchteten Eier haben und im Januar schlüpfen die Küken, die wir nach einigen Monaten als Junghennen an die Biobetriebe abgeben.
Auf diese Weise werden alle Produzenten in Österreich umgestellt?
2017 soll dieser Prozess komplett abgeschlossen sein. Dann hat der gesamte österreichische Biosektor bei den Eiern die Farbe gewechselt – von Braun auf Beige.
Und Sie können dann garantieren, dass in der Biobranche keine Küken mehr getötet werden?
Was irgendwo auf einem kleinen Hinterhof geschieht, das entzieht sich unserer Beobachtung. Aber die beiden österreichischen Brütereien sind auf gutem Weg. So können wir mit großer Sicherheit das Kükentöten ausschließen.
Haben die Supermärkte bei dieser Lösung von Anfang an mitgezogen oder brauchte es viel Überredungskunst?
Es war schon ein längerer Prozess. Wir haben nach einer mehrjährigen Testphase unser Konzept vorgelegt: Wir wollten für ganz Österreich eine einheitliche Lösung. Die ist auch vom Handel gut aufgenommen worden.
Importe von billigeren Bioeiern etwa aus dem benachbarten Deutschland machen Ihnen keine Sorgen?
Davor habe ich überhaupt keine Angst. Der Kunde ist gerade im Biosektor sehr sensibel. Junges Leben töten, Küken töten, das muss nicht sein, das will der Konsument nicht. Deshalb werden wir auch keinen Schritt zurückgehen. Es ist ähnlich wie beim Käfighuhn. Irgendwann konnten Sie keinem Menschen mehr erklären, warum man Hühner in einen engen Käfig sperrt.
Wie groß werden am Ende die Mehrkosten pro Ei sein?
Wir erwarten Mehrkosten von zwei bis drei Cent je Ei. Aber diese Zahl ist noch mit Vorsicht zu genießen. Es hängt davon ab, wie gut sich das Fleisch der Hähne verkauft.
Haben Sie für die männlichen Tiere Abnehmer, gibt es schon Vereinbarungen mit dem Handel?
Das ist fester Bestandteil unseres Konzepts. Der Handel vermarktet nicht nur die etwas teureren Eier, er hilft auch bei der Fleischvermarktung.
Das klingt alles so einfach und plausibel. Wäre es denn nicht sinnvoll, dieses Modell auch auf die gesamte konventionelle Eierproduktion zu übertragen?
Das sind zwei grundverschiedene Bereiche. Unser Konzept ist auf den Biosektor ausgerichtet, der in Österreich gut überschaubar ist. Hier werden ausschließlich österreichische Eier verkauft und zwar direkt an die Endkunden. Im konventionellen Bereich läuft das anders. Da gibt es Industrieware, Eipulver, Flüssigeier und ganz andere Strukturen. Vielleicht ist in diesem Sektor die Früherkennung des Geschlechts im Ei der richtige Weg.
Dabei werden Millionen Hühnerembryonen bereits im befruchteten Ei entsorgt – ethisch bleibt das fragwürdig.
Das ist richtig. Für uns ist es jedenfalls ein Quantensprung, das Kükentöten im Biosektor abzuschaffen. Jetzt muss sich zeigen, ob es auch funktioniert und ob der Kunde mitgeht. Bisher war das Echo sehr gut, auch im Handel. Manche haben zwar Angst, dass es zu schnell geht, aber man erkennt auch die Chancen dieses Wegs. Vielleicht entwickelt sich aus der Aufzucht der Hähne auf den Biohöfen ein neues Einkommen. Wir produzieren schließlich hochwertiges Biofleisch. Das ist kein Brathendl für den Griller, das ist eher was für Chicken-Burger, für die Suppe, es gibt schöne Teilstücke. Und es schmeckt sehr gut, weil die Tiere langsam gewachsen sind. Eine super Fleischqualität, aber ohne die dicken Brustfilets.
Die deutschen Bioverbände eiern herum, wenn man sie auf das österreichische Modell anspricht. Sie behaupten, der deutsche Biomarkt für Eier sei größer und komplizierter. Machen Sie den Deutschen jetzt ein wenig Dampf?
Das weiß ich nicht. Unser Weg ist sicher mutig. Wir sagen ganz klar, dass wir aufhören wollen, das junge Leben zu töten. Dazu hat uns niemand gezwungen. Wir sagen einfach, wir machen es nicht mehr, deshalb kostet das Ei im nächsten Jahr ein wenig mehr. In Deutschland würden Konsumenten und Handel vermutlich auch mitgehen, wenn es eine ähnliche Initiative geben würde.