Gräber gegen das Vergessen

AKTION Das „Zentrum für politische Schönheit“ will den massenhaften Tod von Flüchtlingen ins Bewusstsein bringen. Deshalb tauchen jetzt auch in Hamburg Gräber für die Ertrunkenen auf

„Mal braucht es drastische Maßnahmen, um auf Probleme aufmerksam zu machen“

ANNE HARMS, FLUCHTPUNKT

VON KATHARINA SCHIPKOWSKI

Die Toten kommen jetzt auch nach Hamburg: Am Wochenende sind die ersten Flüchtlings-Gräber im Rahmen einer Politaktion aufgetaucht. Seit einigen Tagen sorgen die KünstlerInnen und AktivistInnen vom „Zentrum für politische Schönheit“ deutschlandweit für Aufsehen: Um das Massensterben im Mittelmeer sichtbar zu machen und die Verantwortlichen direkt mit den Folgen zu konfrontieren, heben sie Gräber an prominenten Orten wie dem Kanzleramt in Berlin aus. Dort veranstalten sie symbolische oder echte Beerdigungen von Opfern der europäischen Grenzpolitik.

Seit diesem Wochenende gibt es nun auch einige Kunst-Gräber in Hamburg. Ein körperlanger Erdhügel mit Blumen, Kerzen und einem Kreuz darauf liegt mitten auf einer Verkehrsinsel der Max-Brauer-Allee. Ein anderes Grab tauchte am Montagmorgen in der Shanghaiallee, auf dem Fußweg vor dem ökumenischen Forum Hafencity, auf. „Unbekannter Flüchtling“, steht auf den Kreuzen, „Grenzen töten“, oder „Frontext Mörder“.

In einer aktuellen Stellungnahme distanzieren sich die KünstlerInnen davon, die Flüchtlinge „aus Protest“ in Deutschland zu beerdigen. Eine Beerdigung könne niemals Protest sein, argumentieren sie. Vielmehr möchten sie der Toten mit einer würdigen Bestattung gedenken und so verhindern, dass die Leichen unauffällig und anonym in Massengräbern an den EU-Grenzen verschwinden.

Das Grab in der Hafencity dürfte diesen Zweck erfüllt haben: Die ökumenische Gemeinde verlegte ihre Andacht am Montag spontan von der Kapelle ans Grab. „Wir teilen das Anliegen, auf das Sterben der Flüchtlinge aufmerksam zu machen“, sagte deren Geschäftsführer Henning Klahn. Zwar sei die Aktionsform sehr drastisch, aber „manchmal braucht es eben drastische Maßnahmen, um auf Probleme aufmerksam zu machen“.

Auch bei der kirchlichen Flüchtlingsorganisation Fluchtpunkt begrüßte man die öffentlichkeitswirksame Maßnahme. Die Frage, ob die Aktionsform pietätlos sei, stelle sich nicht, sagte deren Leiterin Anne Harms: „In Zeiten, in denen niemand etwas dagegen unternimmt, dass Menschen an den EU-Grenzen sterben, kann es nicht darum gehen, über Formen des Protests zu reden.“