„Tonaufzeichnung unnötig“

POLIZEI-EINSATZ Datenschützer kritisiert das heute startende Pilotprojekt mit Schulterkameras

■ 53, Jurist, ist seit dem Jahr 2009 Hamburgischer Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit. Foto: dpa

taz: Herr Caspar, ab heute tragen Polizisten in St. Pauli Schulterkameras – zunächst probeweise für ein Jahr. Ist diese Praxis datenschutzrechtlich in Ordnung?

Johannes Caspar: Wir haben dieses Vorgehen begleitet, haben Einwendungen im Gesetzgebungsverfahren angeregt, die aber nur bedingt angenommen wurden. Die datenschutzrechtliche Kritik bleibt insoweit bestehen. In einem zweiten Schritt haben wir die Handlungsanweisungen der Polizei zum Einsatz von Body-Cams begleitet und einige Änderungen erwirkt.

Welche Kritikpunkte bleiben?

Einmal, dass nicht nur Bilder aufgezeichnet werden, sondern auch der Ton. Dies aufzuzeichnen ist meines Erachtens nicht erforderlich, da die zusätzliche Aufnahme von Gesprächen keine weitergehende Abschreckungswirkung erzeugt und die Ehre des Beamten als Schutzgut bewusst nicht ins Gesetz geschrieben wurde. Außerdem kritisieren wir den im Gesetz verwandten schwammigen Begriff der „technischen Mittel“.

Warum?

Er reicht sehr weit und bedeutet, dass Beamte außer mit Schulterkameras zum Beispiel auch mit einer Handycam oder einer Drohne filmen könnten.

Und wie steht es mit den Daten?

Die maximal viertägige Speicherung der Daten scheint mir zu kurz. Diese Frist kann nicht gewährleisten, dass betroffene Bürger darauf zurückgreifen können, um etwa eigene Rechtsansprüche gegenüber der Polizei geltend zu machen.

Ist klar definiert, wann die Kameras einzuschalten sind?

Es muss eine Gefahr für Leib und Leben vorliegen, dann steht es im Ermessen des einzelnen Beamten, Aufnahmen zu fertigen. Er schaltet sie ein, wenn nach allgemeiner polizeilicher Erfahrung von einer Eskalation der Situation auszugehen ist. Die Kamera soll den Aggressor davon abhalten, sich körperlich gegen den Beamten oder Dritte zu wenden.

Eigene Übergriffe wird der Beamte wohl nicht filmen.

Das wird sich zeigen. Deren Dokumentation ist – anders als in den USA, wo die Body Cam bei jedem Polizeieinsatz läuft – nicht Ziel des Gesetzes.

Aber verhindert die Schulterkamera wirklich Gewalt?

Das ist fraglich – gerade dann, wenn die Aggressoren massiv alkoholisiert sind. Die 24-Stunden-Kameraüberwachung auf der Reeperbahn zum Beispiel hat nicht dazu beigetragen, Gewaltdelikte vor Ort einzugrenzen. Die Wirkung der Schulterkameras sollte man am Ende des Pilotprojekts wissenschaftlich evaluieren.  INTERVIEW: PS