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„Wir wollen Wissen schaffen“

ST. PAULI Joscha Metzger will mit der AG „Straßen von St.Pauli“ die Eigentumsverhältnisse im Stadtteil kartieren und im Internet veröffentlichen. Unschärfe verhindert Missbrauch

Joscha Metzger

■ 32, promoviert am Institut für Geografie der Uni Hamburg und ist Teil der AG „Straßen von St. Pauli“ (strassen-von-st-pauli@st-pauli-selber-machen.de).

INTERVIEW KRISTOF BOTKA

taz: Herr Metzger, warum wollen Sie die Eigentumsverhältnisse in St. Pauli kartieren?

Joscha Metzger: In Hamburg wird seit Jahren viel über Gentrifizierung geredet und oft wirkt es so, als könne man den Vorgang an der Zahl von teuren Läden oder neuen Latte-Macchiato-Bars bemessen. Wir wollen zeigen, dass dieser Prozess strukturelle Hintergründe hat und auf einer übersichtlichen Karte zeigen, wie der Wohnraum wirklich verteilt ist und wer wo seine Renditen herauszieht.

Sie wollen jeden Vermieter persönlich vermerken?

Nein. Uns geht es darum, zwischen kleinen privaten Besitzern, professionellen Immobilienunternehmen und marktferner Wohnraumnutzung zu unterscheiden, sprich Wohnraum, der von Genossenschaften gestellt wird oder durch Wohnprojekte belegt ist. Uns geht es um die Eigentumsverhältnisse; nicht darum, einzelne Vermieter aufzuführen. Deshalb wird man auch nicht unterscheiden können, ob beispielsweise in einem Mehrparteienhaus ein privater Vermieter alle Wohnungen vermietet oder mehrere Vermieter jeweils eine Wohnung.

Und wie kommen Sie an die Daten?

Wir wollen unseren Stadtteil einbinden und laden die Bewohner dazu ein, uns Auskunft über ihr Wohnverhältnis zu geben. Deshalb sind wir auch innerhalb des Projekts „St. Pauli selber machen“ organisiert. Die Initiative will St. Pauli gestalten und die Menschen zur Beschäftigung mit dem Stadtteil anregen. Auf unserer Internetseite kann jeder seine Informationen hinterlassen, die wir dann in die Karte einbauen.

Haben Sie da keine datenschutzrechtlichen Bedenken?

Bisher nicht. Wir wollen, wie gesagt, niemanden namentlich erwähnen oder an den Pranger stellen, sondern nur zwischen den verschiedenen Eigentumsverhältnissen unterscheiden. Grundsätzlich steckt das Projekt jedoch noch in den Kinderschuhen und nicht jede Idee ist daher schon zu Ende gedacht.

Wie weit sind Sie denn?

Wir haben unseren Internetauftritt erstellt und die Kartierung im Freundeskreis erprobt. Bisher haben wir allerdings noch sehr wenige Daten. Wir hoffen, dass sich das ändert, nachdem wir das Projekt am Sonntag auf der Stadtteilversammlung von „St. Pauli selber machen“ vorgestellt haben.

Stadtteil konferiert

Die Gruppe „St. Pauli selber machen“ hat gestern zur dritten Stadtteilkonferenz in den Ballsaal des Millerntor-Stadions geladen.

■ Rund 120 AnwohnerInnen sprachen dort über die Entwicklung des Stadtteils und die Frage, wie St. Pauli für alle Menschen lebenswert sein könnte.

■ Insbesondere auf dem Areal der abgerissenen Esso-Häuser wünscht sich die Gruppe eine sozial gerechte Nachnutzung.

■ Vor Baubeginn forderte sie „einen von unten organisierten, demokratischen Planungsprozess“ – aus dem die Planbude hervorging.

■ Viele der dort eingereichten Ideen sprachen sich gegen die Verdrängung Alteingesessener und für sozialen Wohnraum aus.

■ Die AnwohnerInnen fordern, dass die Planbude als Informationspunkt über den Neubau bleibt – als Baubude.

Laufen Sie nicht Gefahr, dass große Investoren durch Ihre Karte auf profitablen, leicht aufzukaufenden Wohnraum stoßen?

Dieses Problem ist uns bereits von der Initiative „Leerstandsmelder“ bekannt. Wir werden deshalb, und auch aus Datenschutzgründen, eine Unschärfe in die Karte einbauen. So wird zwar die ungefähre räumliche Lage abgebildet, der genaue Eintrag verschiebt sich aber bei jedem neuen Aufruf ein wenig, sodass man keine genaue Adresse vorfindet.

Was erhoffen Sie sich langfristig von dem Projekt. Wird es auch einen praktischen Nutzen haben?

Ich denke, das Sammeln von Wissen hat an sich schon einen praktischen Nutzen. Wir können Verhältnisse abbilden und verdeutlichen, die vorher unklar waren oder über die niemand nachgedacht hat. Es geht darum, Hintergrundwissen zu schaffen. Späteren Diskussionen könnte dieses Wissen dann natürlich als Grundlage dienen, irgendwann vielleicht auch über den Stadtteil hinaus.

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