Kleine Kriegselefantinnen

THAILAND Vor dem Spiel gegen Deutschland ist das Team aus Südostasien richtig aufmüpfig: Mit Kurzpassspiel und schnellen Kontern will man die Defensive der DFB-Elf durchbrechen

■ Zoff in Frankreich: Wegen der Ansetzung des Länderspiels seiner Herrennationalmannschaft parallel zum WM-Gruppenspiel seines Frauenteams bei der WM in Kanada musste sich Frankreichs Fußballverband FFF am Samstag von den übertragenden TV-Kanälen schwere Kritik gefallen lassen. Die Vorwürfe richteten sich gegen die Zustimmung des FFF zur Anstoßzeit des Männerspiels in Albanien um 18 Uhr, weil eine Stunde später bei der WM die Frauen der „Grande Nation“ gegen Kolumbien antreten. Sowohl der Sender TF1 als auch der WM-Kanal W9 beklagten in Befürchtung niedrigerer Einschaltquoten ein Versäumnis der FFF-Verantwortlichen.

AUS WINNIPEG DORIS AKRAP

Vor dem Spiel gegen Deutschland waren sie guten Mutes. Wie gesagt: vor dem Spiel. Hoch in den Himmel geschlagene Bälle waren zu sehen, zu hören waren kaum Anweisungen, dafür lustiges Mädchengeschnatter und Gelächter. Auf dem Shaughnessy Field im Nordosten Winnipegs trainierte das Team Thailand. Der Zaun um das Feld war mit schwarzem, undurchsichtigem Fifa-Stoff umwickelt. Niemand sollte sehen, wie sich die Asiatinnen auf das große Spiel vorbereiteten. Aber mit Geheimhaltung gewinnt man nicht unbedingt Spiele, schon gar nicht, wenn man zum ersten Mal bei einer WM antritt und dann gegen die ganz Großen ranmuss. So wie gegen die Deutschen.

Offiziell spielen in Thailand nicht mal 1.000 Frauen Fußball. Dass es diese Auswahl trotzdem nach Kanada geschafft hat und auf dem Weg dorthin China und Südkorea besiegen konnte, ist beachtlich. Ein bisschen Glück hatte sie auch. Sie rutschte ins WM-Feld nur deshalb rein, weil Nordkorea wegen Dopings rausflog. So sind die „Kriegselefantinnen“, wie das Team zu Hause heißt, jetzt in sportlicher Mission in Kanada unterwegs.

Während der chinesische Frauenfußball in den letzten Jahren schwächelt, hat sich Thailand wieder berappelt: 1983 hatte das thailändische Team die Asienmeisterschaft gewonnen, und obwohl ohne Titel, gehörte es in den letzten drei Jahrzehnten immer zu den fünf, sechs stärksten in Asien. Eine beachtliche Konstanz. Beachtlich waren auch die ersten fünf Minuten des allerersten WM-Auftritts. Gegen die wesentlich stärkeren Norwegerinnen hatte die Mittelfeldspielerin Silawan Intamee den Führungstreffer auf dem Fuß, verpatzte aber, und das Spiel ging letztlich mit 4:0 an die Norwegerinnen. Die Begegnung gegen die Elfenbeinküste hingegen ließ die durchschnittlich 1,60 Meter kleinen Spielerinnen um locker 20 Zentimeter größer werden. Die gerade mal 1,51 Meter große Stürmerin Orathai Srimanee, eigentlich nur Einwechselspielerin, schoss gleich zwei Tore und kann es fast eine Woche später immer noch nicht fassen: „Ich kann mir immer noch nicht vorstellen, dass ich das gemacht habe.“ Ganz Thailand, erzählt sie, feiert sie jetzt als Superstar.

Selbstbewusst erzählt die Trainerin Nuengrutai Srathongvian, dass sie sehr genau gesehen habe, wie defensiv die Norwegerinnen gegen ihr Team spielten. „Die hatten Respekt vor uns. Das ist beeindruckend.“ Auch die Deutschen, so berichtet die Trainerin, hätten sie zuletzt intensiv beobachtet. Ob das viel bringen wird? Zumindest hat die 43-Jährige vor dem Spiel gegen die DFB-Auswahl (ZDF, 22 Uhr) viel vor: „Sie haben eine gute Defensive, die wir nur durchbrechen müssen. Durch schnelle Konter.“

Trotz guter Beobachtung kennen die Thailänderinnen die Namen ihrer Gegnerinnen nicht. Sie sprechen immer nur in Zahlen von ihnen. „Wir müssen vor allem auf die 18 und die 13 aufpassen“, sagte Verteidigerin Darut Changplook, wenn sie Celia Sasic und Alexandra Popp meint.

Das schnelle Kurzpassspiel ist die Taktik, mit der Thailand bei dem Turnier bislang aufgefallen ist. Über einen Vergleich mit dem spanischen Tiki-Taka kann die Trainerin aber nur lächeln: „Das ist doch unsere einzige Waffe. Ein körperbetontes Spiel können wir nur verlieren. Davor müssen wir ausweichen: Wir müssen den Ball einfach schneller spielen, als die anderen rennen können.“

So einfach ist das. Unterstützung werden die Thailänderinnen im Stadion von Winnipeg auf jeden Fall haben. Denn hier gibt es neben einer großen nigerianischen auch eine große thailändische Community. „Es gibt sogar kanadische Fans, die uns von Ottawa die 2.000 Kilometer hierher gefolgt sind. Das ist überwältigend“, sagt die Trainerin, die eine „Goldene Generation“, so heißt es in Thailand, anleitet.

Am meisten Angst hat sie bei diesem Turnier bislang vor den heftigen Wetterwechseln in Winnipeg. „Das Wetter ändert sich hier von Stunde zu Stunde. Dagegen haben wir keine Taktik.“

Der erste WM-Ausflug ist für Thailands Frauenfußballteam „eine großartige Motivation. Zu Hause hatte man von uns nicht erwartet, dass wir hier auch nur einen Punkt holen.“