Durch die Glasdecke

DEMOKRATIN Beim ersten großen Wahlkampfauftritt am Samstag konzentriert sich Hillary Clinton auf feministische Leitbilder und Persönliches

AUS ROOSEVELT ISLAND DOROTHEA HAHN

Die Kulisse für den ersten großen Wahlkampfauftritt von Hillary Clinton besteht aus drei Elementen: die Skyline von Manhattan; die Gedenkstätte für den Präsidenten Franklin D. Roosevelt, und ein Publikum aus mehreren tausend Menschen, mehrheitlich jungen weißen New Yorkern.

Am Samstagmorgen schlägt die Kandidatin einen großen Bogen: Sie attackiert ihre republikanischen Rivalen, sie verspricht, sie werde für „hart arbeitende Amerikaner“ – Krankenschwestern und Lkw-Fahrer – kämpfen, und sie benutzt „Milliardär“ wie ein Schimpfwort. Das Ganze bettete sie ein in persönliche Geschichten.

Clintons Anhänger quittieren fast jeden Satz mit Beifall und Fähnchenschwenken. Die Sonne knallt auf das schattenlose Podium an der Südspitze der Roosevelt-Insel im East River. Ihre Anhänger werden immer dann euphorisch, wenn sie über Chancengleichheit redet. Insbesondere für Frauen. Das ist das große Thema dieser Kampagne.

„Dieser Ort hat kein Dach“, sagt Clinton gleich zu Anfang ihrer Rede. Die 67-Jährige hat ihre Karriere in Führungspositionen verbracht. War Familienanwältin, politisch aktive First-Lady, Senatorin für New York, Außenministerin. Sie ist die bekannteste, politisch erfahrenste und die am weitesten gereiste aller gegenwärtigen PräsidentschaftskandidatInnen. Ihren Wahlkampf könnte sie problemlos mit Bilanz und Zielen bestreiten. Stattdessen bleibt sie programmatisch vage. Und konzentriert sich auf das feministische Leitmotiv – die Glasdecke durchbrechen. Sie endet ihre Rede mit der Geschichte eines Vaters, der seiner Tochter erklärt, dass sie alles werden kann – auch Präsidentin.

Clinton klingt, als gäbe es keine Alternative zu ihr. Über ihre republikanischen Gegenkandidaten sagt sie, dass alle dasselbe alte Lied sängen: „Yesterday“. Herausforderer in der eigenen Partei erwähnt sie nicht und ihre linken Kritiker, die ihr Militarismus und Nähe zur Wall Street vorwerfen, sind nicht anwesend.

Sie hakt populistische Schlagwörter ab: niedrige Löhne, Angriffe auf das Wahlrecht von Minderheiten, prekäre Lage von Kriegsveteranen, Steuervorteile für Milliardäre, das Klima, Einwanderung und die Macht von Geld in der Politik. Sie prangert Missstände an. Aber ihre Antworten bleiben seltsam vage. Am konkretesten klingt ihr Vorschlag, ein „automatisches Wahlrecht“ einzuführen. Es würde die umständlichen – und diskriminierenden – Prozeduren am Wahltag abschaffen.

Clinton, die 2008 gegen Obama Wahlkampf gemacht hat, ist heute eine Verteidigerin seiner Arbeit. Die Tatsache, dass der Exrivale sie zu seiner Außenministerin ernannt hat, wertet sie als Beweis für das Funktionieren der US-Demokratie. Anderswo, sagt sie, „kommen unterlegene Kandidaten ins Gefängnis, ins Exil, oder bezahlen mit dem Leben“.

Umstrittene Themen klammert sie aus. Sie sagt nichts zu den Militäreinsätzen im Irak, in Afghanistan oder Libyen. Nichts zur Schnüffelei der NSA oder den unpopulären Freihandelsverhandlungen. Nichts zur Teersand-Ölförderung.

Die Frau, die seit Jahrzehnten im Rampenlicht steht,will dieses Mal neue Seiten zeigen. Private. Ihre vor vier Jahren verstorbene Mutter, Dorothy Rodham, war eine häufige Begleiterin von Hillary Clinton. Doch in früheren Reden und in ihrer 2014 erschienenen Autobiografie kam sie kaum vor. Posthum rückt die harte Kindheit der Mutter ins Zentrum der Kampagne der 67-jährigen Tochter.