Eine Wildnis mitten in der Stadt

AUSLAUF Auf dem Bremer Stadtwerder hat der BUND einen natürlichen Erlebnisort für Kinder geschaffen – kostenlos und ohne öffentliche Mittel

Einst grasten echte Kühe auf dem Stadtwerder zwischen der Weser und ihrem Seitenarm, nur ein paar Fährminuten vom Bremer Ostertorviertel. Heute wissen angeblich manche Stadtkinder nicht mehr, wie so etwas aussieht, eine Kuh. Das erfahren sie auf der einstigen Weide zwar nun auch nicht mehr. Aber dafür finden sie dort eine Wildnis vor: Die Kinderwildnis, vor zehn Jahren vom BUND ins Leben gerufen, mit Geld von der EU und der Aktion Mensch. Die Förderung ist längst ausgelaufen, aber die Kinderwildnis ist immer noch da, und – um im Bild zu bleiben – sie gedeiht prächtig.

6.000 Kinder und Familienangehörige nutzten das Areal im vergangenen Jahr. Mindestens. Tanja Greiß, die das Projekt betreut, schätzt, dass es insgesamt mindestens doppelt so viele Menschen waren. Gezählt werden nämlich längst nicht alle, dich sich dort verlustieren, sondern nur die, die an den Veranstaltungen des BUND teilnehmen oder als Teil einer größeren Gruppe angemeldet sind. Es gibt auch keine Einlasskontrollen, der Eintritt ist frei.

Und so tummeln sich dort an Sommerwochenenden zahlreiche Familien und Kindergartengruppen zwischen Matschkuhle, Balancierseilen, den „Gärten des Genießens“ und einer Fallobstwiese. Von der Stadt bekommen sie hier außer einem fernen Rauschen gar nichts mit, Bäume umgeben das Gelände an fast allen Seiten, nebenan gibt es außer dem Café Sand und den Segelvereinen nur Kleingärten und das Licht-Luft-Bad, ein in die Jahre gekommenes Refugium für Freiluft-Fans, das in der Regel nicht übermäßig frequentiert wird.

Die Kinderwildnis dagegen schon. Hat ja auch was. Die Älteren können gemütlich picknicken, klönen, netzwerken oder was man als Eltern so tut. Auch Grillen ist erlaubt, zumindest, wenn der Grill mitgebracht wird. Die Kinder können sie hier derweil sich selbst überlassen. Spielgefährten finden sich eigentlich immer, und auf Bäume klettern oder auf Seilen balancieren können die Kleinen auch ganz allein. Passieren kann nicht viel. Alle Spielgeräte werden regelmäßig auf ihre Sicherheit hin überprüft. Gefahr durch Autos gibt es nicht. Das Bedrohlichste, was diese Wildnis zu bieten hat, sind Brennnesseln. Verschmerzbar.

Tanja Greiß findet die Lage der Kinderwildnis ideal – zentral, aber abgeschieden. Auch, weil sie wenig attraktiv ist für Störenfriede. Wobei neulich trotzdem jemand das WC-Häuschen und einen Zaun zerstört hat. Aber so etwas kommt nur ganz selten vor.

Problematisch ist eher die Sache mit dem Geld: Weil die Stadt außer warmen Worten nichts für die Kinderwildnis übrig hat, finanziert sich der Betrieb über Spenden bei den öffentlichen Veranstaltungen, die der BUND veranstaltet. Zudem werden größere Gruppen um Reservierung und einen Euro pro teilnehmender Person gebeten. Das reicht gerade so, um Reparaturen an den wenigen Gerätschaften auf dem Gelände und die Sicherheitsprüfung zu finanzieren. Ohne Ehrenamt würde das alles nicht funktionieren, sagt Greiß.

Weswegen auch die Kapazitäten fehlen, in anderen Stadtteilen ähnliche Einrichtungen zu organisieren. Die Nachfrage wäre da, sagt sie. „Aber wir schaffen das einfach nicht.“ Ein bisschen sauer sei sie deshalb auch auf die Stadt. „Es gibt ohnehin nicht genug Spielplätze in Bremen, eigentlich müsste das Sozialressort uns unterstützen.“  ANDREAS SCHNELL

Die BUND-Kinderwildnis feiert ihren 10. Geburtstag am 28. Juni von 14 bis 18 Uhr mit Kaffee und Kuchen, Akrobatik, Theater, Musik und Lagerfeuer