Die Zustellerin

Bei der Post wird unbefristet gestreikt, das erste Mal seit mehr als 20 Jahren. Es könnte ein langer, harter Arbeitskampf werden – und sie führt ihn an: Andrea Kocsis (Foto) ist stellvertretende Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und leitet den Fachbereich Postdienste, Speditionen und Logistik. Das macht sie zu einer der mächtigsten Gewerkschafterinnen in Deutschland. Und sie gibt sich fest entschlossen, nicht einzuknicken: Schritt für Schritt erhöht Kocsis den Druck auf die Post; jeden Tag gehen mehr Beschäftigte in den Ausstand.

Verdi will nicht hinnehmen, dass der ehemalige Staatsbetrieb seine Gewinnmargen auf Kosten der Beschäftigten erhöhen will. Ziel der Gewerkschaft ist es, die Auslagerung tausender Paketboten in neu gegründete Billigtöchter rückgängig zu machen. Bis zu 20 Prozent weniger verdienen sie dort. Diese Flucht aus dem Haustarifvertrag sei „ein ungeheuerlicher Vorgang und ein sozialpolitischer Skandal ersten Ranges“, ist Kocsis überzeugt. Der Vorstand wolle „eine Umverteilung von Arbeitseinkommen zu Kapitaleinkünften“. Ihm gehe es „ausschließlich darum, Kapitalmarktinteressen zu bedienen“.

Die 49-jährige Mülheimerin weiß, wovon sie spricht. Als stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende ist sie bestens mit der Konzernstrategie vertraut. Ebenso gut kennt Kocsis allerdings auch die andere Seite der Firmenpyramide. Denn sie war einmal selbst eine derjenigen, für die sie jetzt kämpft: Nach ihrem Studium der Sozialarbeit, Romanistik, Anglistik und Germanistik an den Gesamthochschulen in Essen und Duisburg heuerte Kocsis 1991 bei der Post an – als Briefzustellerin. Zehn Jahre später wechselte sie hauptamtlich zur Deutschen Postgewerkschaft, die kurz darauf in Verdi aufging. PASCAL BEUCKER