Letzte Rückzugsgefechte

EHE FÜR ALLE Der Bundesrat stimmt für die Gleichstellung von Homo-Paaren. Union steht auf verlorenem Posten

AUS BERLIN ERIK PETER

Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist“, sagte Malu Dreyer, die SPD-Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz zu Beginn der Bundesratsdebatte über die Ehe für alle. Sie sollte recht behalten. Mit den Stimmen der rot-grün, rot-rot-grün und rot-rot regierten Bundesländer wurde am Freitag ein Entschließungsantrag Niedersachsens zur Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare angenommen. Darin fordern die Länder die Bundesregierung auf, die weiterhin bestehende Benachteiligung gleichgeschlechtlicher Paare zu beenden. Dies umfasse auch die Schaffung eines vollen Adoptionsrechts. Ein entsprechender Gesetzentwurf, der die Große Koalition zwingen würde, über eine Abstimmung im Bundestag Stellung zu beziehen, wurde zunächst in die Ausschüsse des Bundesrates überwiesen.

In der einstündigen Debatte hatte lediglich ein Unions-Vertreter das Wort ergriffen, um gegen den „Angriff auf die Ehe“ zu argumentieren. Das aussichtslose Rückzugsgefecht überließen die Konservativen dem bayerischen Justizminister Winfried Bausback. Dieser beklagte sich, man wolle „diejenigen, die die Werte von Ehe und Familie verteidigen, in die Ecke der Rückständigen stellen“. Auch er sollte recht behalten – doch dafür sorgte er ganz allein.

Der CSU-Politiker hatte argumentativ wenig gegen die volle Gleichstellung homosexueller Partnerschaften vorzubringen, für die sich zuletzt in Irland bei einem Volksentscheid eine Mehrheit ausgesprochen hat. So blieb er etwa eine Antwort auf die Frage schuldig, die Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) stellte: „Was würde sich für verheiratete heterosexuelle Menschen durch die Ehe für alle verändern?“ Die Antwort gab sie gleich selbst: „Nichts.“

Für den Antrag sprachen sich auch Thüringens linker Ministerpräsident Bodo Ramelow und sein baden-württembergischer Amtskollege Winfried Kretschmann (Grüne) aus. Keine Zustimmung erhielt der Antrag in den lagergemischt regierten Ländern Berlin (rot-schwarz) und Hessen (grün-schwarz). Der Vorsitzende der Grünen Jugend, Erik Marquardt, nannte auf Twitter Hessens Abstimmungsverhalten „beschämend“.

Insbesondere in Berlin hatte es bereits im Vorfeld eine heftige Debatte gegeben. SPD-Bürgermeister Michael Müller hatte die Verweigerungshaltung der CDU scharf kritisiert und für ein Ja Berlins plädiert. „Wer nicht mitgehen will, hat Berlin nicht verstanden“, sagte er noch am Donnerstag bei einer Debatte im Abgeordnetenhaus. Letztlich fügte sich Müller aber der CDU, die damit gedroht hatte, im Falle eines Alleingangs der SPD die Koalition aufzukündigen.

Auch im Bundestag hatte es am Donnerstag eine heftige Auseinandersetzung über die Frage gegeben – große Aufregung inklusive. Als der CDU-Abgeordnete Helmut Brandt argumentierte, die Ehe beruhe auf dem Prinzip der Fruchtbarkeit, rief Staatsminister Michael Roth (SPD) dazwischen: „Und was ist mit der Bundeskanzlerin?“ Das Besondere daran: Roths Attacke auf die kinderlose Bundeskanzlerin kam von der Regierungsbank. Auch dort ist die Zeit allmählich gekommen.