Klassenfahrt notfalls bis nach Leipzig

SCHULEN Im Streit um längere Arbeitszeiten für Gymnasiallehrer erwägt Niedersachsens Landesregierung juristische Schritte

Nach ihrer heftigen Niederlage vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg (OVG) hat Niedersachsens rot-grüne Landesregierung noch nicht entschieden, ob sie weiter vor Gericht für längere Unterrichtszeiten der LehrerInnen an Gymnasien kämpfen will. „Wir werden uns die Urteilsbegründung genau anschauen“, sagte Regierungssprecherin Anke Pörksen am Tag nach der Entscheidung in Hannover.

Die Vertraute von SPD-Ministerpräsident Stephan Weil machte außerdem klar: In dessen Staatskanzlei wird – wie auch im Kultusressort seiner sozialdemokratischen Schulministerin Frauke Heiligenstadt – darüber nachgedacht, für eine Revision bis vor das Leipziger Bundesverwaltungsgericht zu ziehen.

Die Lüneburger Richter hatten am Dienstag geurteilt, eine Erhöhung der Regelstundenzahl für Gymnasiallehrer von 23,5 auf 24,5 Stunden verstoße nicht nur gegen das Gleichbehandlungsgebot mit anderen Beamten. Wegen einer Verletzung der im Grundgesetz festgeschriebenen Fürsorgepflicht gegenüber den Staatsdienern sei sie sogar verfassungswidrig.

Konkret kritisierten die Richter, dass die Erhöhung der Unterrichtszeit zwar politisch, nicht aber sachlich begründet worden sei: Mit der einstündigen Mehrarbeit pro Woche konnte die Regierungskoalition rund 750 Lehrerstellen einsparen – das macht im Jahr etwa 40 Millionen Euro, mit denen eine bessere Ganztagsbetreuung und die Inklusion behinderter SchülerInnen gefördert wurden.

Dabei habe das Kultusministerium allerdings nicht einmal versucht, die aktuelle Gesamt-Belastung der GymnasiallehrerInnen zu ermitteln, befand das OVG. Somit bleibe unklar, ob deren Arbeitszeit inklusive Vorbereitung und Korrekturen nicht doch bei mehr als 40 Stunden in der Woche liegt – dann nämlich wären die Lehrer gegenüber anderen Beamten benachteiligt. Für einen Sieg vor Gericht hätten die Juristen des Schulministeriums also besser mit der gesunkenen Arbeitsbelastung durch das Abitur erst nach 13 Jahren oder mit weniger Aufwand in Folge kleinere Klassen argumentieren sollen.

Unklar bleibt, ob mit dem Urteil der Klassenfahrtboykott durch viele Gymnasiallehrer beendet ist. Dies bleibe dem Einzelnen überlassen, sagte gestern der Vorsitzende des Philologenverbands, Horst Audritz. Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) äußerte sich skeptisch und mahnte eine schnelle Verkürzung der Arbeitszeit an.  WYP