BERUFSVERKEHR
: Märkischer Sand

Als ob er in einem Wassermelonen- ställchen stünde

Schnell des Morgens in die Arbeit radeln. Ebenso rasch entstehen verkehrstechnisch bedingte Chaossituationen – stets wiederkehrender Volltreffer: das Kottbusser Tor. Hätte man doch in der Früh nur ein wenig mehr Zeit für dieses sich gegenseitig die Vorfahrt nehmende Gehupe, für dieses Tohuwabohu an unflätig agitierenden Autofahrern in einer Cloud von orientalischer Lautstärkenmusik, für Stinkefinger zeigende Skateboarder, Zeit für Hipster auf Rollern und für der Muße frönende Stadtherumstreicher, ach hätte man doch nur ein wenig mehr Zeit, dieses Tableau im steten Fluss zu studieren. Aber man ist mal wieder spät dran.

So fällt beim sportlich zügigen Rechtsabbiegen in die Reichenbergerstraße nur ein Mann auf, der vor einem ausgedehnten türkischen Lebensmittelmarkt namens Istanbul in einer sehr großen Holzkiste steht. Zwei wuchtige Wassermelonen hält der an Adriano Celentano erinnernde Verkäufer zwischen seinen behaarten Händen, er bietet sie einer kleinen Gruppe von Burka tragenden Frauen feil, und es sieht ganz so aus, als ob er in einem kleinen Ställchen stünde. Einem Wassermelonenställchen sozusagen.

Weiter hinunter die Straße, die bald schon nicht mehr Reichenberger-, sondern Ritterstraße heißt, weiter hinunter ist auf dem Bürgersteig eine neue Baustelle für die Bevölkerung entstanden, und aus Unkenntnis brettert man mit dem Rad voll in das Ungemach hinein.

Das sehr wahrscheinlich zeitlich ziemlich lange sich hinziehende Projekt ist heute noch taufrisch. Eigentlich wollte man ja nur dem sich anbahnenden Kopfsteinpflaster entgehen. Jetzt strandet man im fast knöcheltiefen Sand (der bestimmt „märkischer“ Natur ist). Ein älterer Mann im beigefarbenen Staubmantel und mit einem schlaffen Einholbeutel am Arm, besieht sich die Szene. „Sand“, sagt er. Es klingt erotisch. HARRIET WOLFF