BERNHARD CLASEN ÜBER TRANSNISTRIEN UND DIE UKRAINE
: Die zweite Front

In der Ukraine droht eine zweite Front. Der Konflikt um die nicht anerkannte, zwischen Moldawien und der Ukraine eingekeilte Republik Transnistrien, die gerade einmal 60 Kilometer von Odessa entfernt ist und in der russische Truppen stationiert sind, könnte erneut aufbrechen. Diese Angst geht in allen politischen Lagern um. Doch bei dieser Einschätzung hört die Einigkeit auch schon wieder auf.

Die ukrainische Regierung habe, heißt es nämlich einerseits, am 21. Mai richtigerweise die Vereinbarung aufgelöst, nach der Russland die Ukraine für den Transit seiner in Transnistrien stationierten Truppen hatte nutzen dürfen. Man könne doch nicht einem Land, das die Ukraine im Donbass militärisch angreife, erlauben, einen anderen Teil der Ukraine für den Transit von Truppen zu nutzen. Dies hieße ja tatenlos zusehen, wie sich auf ukrainischem Territorium eine zweite Front bilde.

Mit der Entscheidung, den russischen Truppen in Transnistrien den Nachschub abzuschneiden, treibe man Russland in die Ecke, lautet die entgegengesetzte Argumentation. Damit provoziere man Russland zu einem militärischen Ausbruch aus der Blockade. Die Ernennung von Michail Saakaschwili, der 2008 in Südossetien einen Krieg gegen die dortigen Separatisten vom Zaun gebrochen hatte, zum Gouverneur von Odessa, eskaliere zusätzlich, so die Stimmen dieser Sichtweise. Saakaschwilis Ankündigung, den illegalen Waffen- und Drogenhandel, der von Transnistrien ausgehe, zu unterbinden, zeige, dass man Transnistrien weiter in die Enge treibe.

Müßig zu überlegen, welche Seite jetzt recht hat. Wichtiger ist vielmehr die Frage: Wie lässt sich eine zweite Front verhindern? Die Antwort kann nur lauten: mit Gesprächen und Diplomatie.

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