ANNA LEHMANN ÜBER DIE GEPLANTE REFORM DES WISSENSCHAFTSSEKTORS
: Forever young

Auch für die, die nicht NobelpreisträgerInnen werden, sollten feste Stellen geschaffen werden

Allein der Begriff mutet merkwürdig an: wissenschaftlicher Nachwuchs. Bei den Betreffenden handelt es sich in der Regel nämlich um Menschen um die dreißig oder Anfang vierzig mit akademischem Abschluss. Hochqualifizierte also, die sich aber, weil sie in Hochschulen und Forschungsinstituten arbeiten, permanent in der Probezeit befinden. Höchste Zeit für einen Systemwandel.

Die Wissenschaft ist eine arbeitsrechtliche Sonderzone. Hier ist üblich und erlaubt, was jeder Betriebsrat monieren würde – nämlich Mitarbeitern einen Zeitvertrag nach dem anderen anzubieten. Die Begründung dafür: Wissenschaft sei ständig auf der Suche nach Neuem, Fluktuation und Austausch seien unabdingbar. Abgesehen davon, dass dieses Argument gern von Professoren mit Verbeamtung auf Lebenszeit vertreten wird, ist es nur bedingt wahr. Natürlich können DoktorandInnen befristet eingestellt werden. Viele verlassen die Unis nach erfolgreicher Promotion auch wieder. Wer aber in der Wissenschaft bleiben möchte, hat ein Anrecht darauf, frühzeitig zu erfahren, ob und unter welchen Bedingungen das möglich ist. In anderen Ländern gibt es Tenure-Tracks, das sind Stellen, bei denen die Inhaber verlässlich wissen, dass sie nach erfolgreicher Evaluierung an der Uni bleiben können. Oder sich einen anderen Job suchen müssen.

Es ist nicht bekannt, dass Havard oder Oxford dieses System aufgeben wollen. Im Gegenteil: Stellen, auf denen WissenschaftlerInnen früh selbständig forschen und lehren, sind ein Mittel, um künftige Koryphäen an die eigene Institution zu binden.

Auch für die, die nicht NobelpreisträgerInnen werden, sondern „nur“ gute Lehre geben wollen, sollten feste Stellen geschaffen werden. Die Koalition muss die Weichen stellen, um diese WissenschaftlerInnen aus dem „Nachwuchs“-Ghetto zu befreien.

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