Skandal-Gewehr G36: Betrug und Untreue im Amt?

RÜSTUNG Interne Unterlagen legen nahe, dass die Mängel der Waffe gezielt heruntergespielt wurden

BERLIN taz | Er habe immer richtig entschieden, beteuerte der ehemalige Verteidigungsminister Thomas de Maizière am Mittwoch im Verteidigungsausschuss des Bundestags. Für einen Stopp des Einkaufs von G36-Gewehren der Rüstungsfirma Heckler & Koch (H & K) habe es keine Veranlassung gegeben. Doch bevor der CDU-Politiker in dem Gremium Rede und Antwort stehen musste, häuften sich weitere Vorwürfe gegen de Maizière, der das Ministerium von 2011 bis 2013 leitete. Rüstungsgegner haben deshalb Anzeige gegen H & K und das Ministerium erstattet. Sie beziehen sich auf interne Unterlagen, die der taz vorliegen und nahelegen, dass die Mängel des G36 gezielt heruntergespielt wurden.

H & K habe sich des Betrugs in besonders schwerem Fall schuldig gemacht, erklärt Rechtsanwalt Holger Rothbauer. „Obwohl die Firma 2011 genau wusste, dass das Gewehr erhebliche Probleme aufweist, hat sie es noch weiter verkauft“, kritisiert er. De Maizière sowie dessen Nachfolgerin Ursula von der Leyen (CDU) wirft er Untreue vor. Beide hätten den Einkauf der Gewehre zugelassen, obwohl sie wussten, dass die Waffen nicht ausreichend funktionstüchtig seien. Mit Steuergeldern seien so Schäden in Millionenhöhe angerichtet worden. Friedensaktivist Jürgen Grässlin, der die Anzeige gemeinsam mit Rothbauer stellte, spricht sogar von Strafvereitelung im Amt.

Laut den Unterlagen, die dem BR und dem SWR zugespielt wurden, ermittelte die Staatsanwaltschaft Rottweil aufgrund eines anonymen Schreibens bereits im Januar 2011 wegen Betrugs gegen H & K. Es sollte geprüft werden, ob die Firma thermische Probleme des Gewehrs wissentlich gegenüber dem Ministerium verschwiegen habe. In der Folge stellten interne Untersuchungen aus militärischer Sicht erhebliche Mängel des G36 fest. Dennoch wurde das Gewehr bis 2013 weiter gekauft.

Auch die Rottweiler Strafverfolger stellten ihre Ermittlungen bereits am 1. August 2011 wieder ein. Begründung: Die Vorwürfe bezögen sich auf Verträge aus dem Jahr 1995 und seien damit verjährt. Allerdings wurden bis 2011 mindestens 40 Verträge über den Kauf von Waffen und Zubehör abgeschlossen. Beamte des Ministeriums schickten damals nur jenen Vertrag von 1995 an die Staatsanwaltschaft und betonten zudem regelmäßig die militärische Tauglichkeit des Gewehrs. Die Waffenschmiede erklärte auf taz-Anfrage, beim Gewehr G36 liege kein Mangel vor.

WOLF-DIETER VOGEL