„Wir werden das verhindern“

PREMIERE Ulrich Gehner hat einen Film über das von „Pöseldorfisierung“ bedrohte St. Georg gedreht

■ 61, Fotojournalist und Filmemacher, seit 35 Jahren in St. Georg. Er ist Regisseur des Filmes „Boomtown St.Georg“.

taz: Herr Gehner, warum hängen Sie so sehr an St. Georg?

Ulrich Gehner: Na, zunächst einmal ist St. Georg ein liebenswürdiger, zentraler Stadtteil, in dem es sich sehr gut leben lässt. Außerdem haben wir hier ein wunderbar vielfältiges Viertel, nicht nur kulturell. Wir haben auch die höchste Dichte an sozialen Einrichtungen und Initiativen in der Stadt. Da stehen wir St. Pauli in nichts nach.

Und wodurch sehen Sie das Viertel nun bedroht?

Vor allem von Investoren, die alte Baubestände aufkaufen, luxussanieren und dabei die Menschen nach und nach vertreiben.

Durch klassische Gentrifizierung also.

Kann man so sagen. Was den Stadtteil allerdings von anderen unterscheidet, ist die enorme Zahl von Hotels. Auf 10.000 Einwohner kommen hier 15.000 Hotelbetten. St. Georg ächzt vom Tourismus. Außerdem geht durch den Umbau von Wohnungen zu Hotels viel Wohnraum verloren. Das passiert auch versteckt, denn viele kaufen sich teure Appartements und vermieten sie als Ferienwohnung.

Wer im Stadtteil wehrt sich?

Der Einwohnerverein, der Bürgerverein, die evangelische Kirchengemeinde und vor allem natürlich die Mieter wehren sich. Organisiert auf Demos, aber auch vor Gericht. Ständig klagen Menschen aus St. Georg gegen neue Vermieter, die sie zu vertreiben versuchen.

Mit Erfolg?

Ja, immer wieder. In einem speziellen Fall hat der Bürgerprotest die Baupläne der Allianz-Versicherung durchkreuzt. Sie hatte ein Grundstück aufgekauft und wollte es mit einem weiteren Hotel und Luxuswohnungen bebauen. Doch da hat sich der ganze Stadtteil quer gelegt – und seitdem passiert dort gar nichts.

Auf welcher Seite steht die Stadt?

Von Seiten der Stadt wird oft behauptet, es gäbe keine juristische Grundlage, auf der man den Wettbewerb verhindern könnte. Doch wenn die Politik wirklich wollte, könnte sie sich auch dagegen stellen und die Bezahlbarkeit des Wohnraumes sichern.

Wo sehen Sie St. Georg in zehn Jahren?

Wenn es so weitergeht, wird St. Georg ein weiteres Edelviertel, eine Art zweites Pöseldorf. Doch der Protest wird nicht abreißen, zu viele Anwohner sind mittlerweile genervt von dieser Entwicklung. Wir werden das zu verhindern wissen!  INTERVIEW: BOT

„Boomtown St.Georg“-Premiere mit anschließender Diskussion: 20 Uhr, Abaton