Knapp 10 Prozent für Pegida-Tatjana

SACHSEN Die rabiate Frau Festerling kann sich freuen. Nach dem ersten Wahlgang führt in Dresden zwar Rot-Rot-Grün, sieht sich aber einem rechtskonservativen Mehrheitsblock gegenüber. Die auf 51,1 Prozent gestiegene Wahlbeteiligung rechnet man den Rechten zu

Eva-Maria Stange kann sich trotz ihres guten Ergebnisses nicht sicher sein

AUS DRESDEN MICHAEL BARTSCH

Die Oberbürgermeisterwahl in Dresden vom Sonntag hat offenbart, welche Resonanz die Pegida-Protestbewegung am Ort ihrer Gründung tatsächlich genießt. 9,6 Prozent der WählerInnen gaben der von Pegida nominierten ehemaligen Hamburger AfD-Mitbegründerin Tatjana Festerling ihre Stimme.

Besonders großen Zuspruch fand sie in sozialen Problemgebieten. Im Plattenbauviertel Gorbitz, wo auch viele Flüchtlingsfamilien dezentral untergebracht sind, votierten 28,5 Prozent für Festerling. Rechnet man die 4,8 Prozent für den AfD-Kandidaten Stefan Vogel hinzu, so erreichte der rechte Rand fast so viele Stimmen wie der CDU-Kandidat und sächsische Innenminister Markus Ulbig mit 15,4 Prozent. Auf diese Mobilisierung bisheriger Nichtwähler ist wahrscheinlich die leicht auf 51,1 Prozent gestiegene Wahlbeteiligung zurückzuführen. Auf der Facebook-Seite von Pegida wird Festerlings Ergebnis teils als Erfolg, teils als Niederlage gewertet. Erwartungsgemäß wird auch Wahlfälschung unterstellt.

Vertreter der fünf im Landtag vertretenen Parteien zeigten sich am Montag bei ihrer Wahlauswertung nicht sonderlich alarmiert vom Festerling-Ergebnis. Sie beschäftigt eher der erforderliche zweite Wahlgang am 5. Juli. Der Dresdner AfD-Kreisvorsitzende Jörg Urban vermutet, dass Pegida-Anhänger ohne eine Kandidatur von Tatjana Festerling sonst die AfD gewählt hätten, und betonte inhaltliche Schnittmengen. „Pegida hat nichts bedient, was wir nicht auch bedient haben“, sagte er.

Mit der Niederlage ihres Kandidaten Ulbig verliert die CDU ihren letzten Spitzenposten in einer deutschen Landeshauptstadt. Der bundesweite Trend schwindender Anhängerschaft in urbanen Räumen setzt sich nun auch in sächsischen Mittelstädten fort. Parteilose Kandidaten oder Parteienbündnisse erobern zunehmend die Rathäuser. Dafür dominiert die sächsische Union unangefochten auf dem „flachen Land“. Am Sonntag gewann sie im ersten Wahlgang erneut alle zehn Landratsposten.

In Dresden lag beim ersten Wahlgang zwar die bisherige sächsische Wissenschafts- und Kunstministerin Eva-Maria Stange (SPD) mit 36 Prozent vorn. Sie war vom Bürgerbündnis „Gemeinsam für Dresden“ nominiert worden, hat aber auch die Stadtratsmehrheit von Linken, Grünen, SPD und Piraten hinter sich. Doch nur knapp viereinhalb Punkte dahinter liegt der bisherige Wirtschaftsbürgermeister Dirk Hilbert (FDP). Ihn hatte ein konservatives Bündnis „Unabhängige Bürger für Dresden“ aufgestellt. Im zweiten Wahlgang sieht sich Stange derzeit trotz ihres Vorsprungs einer deutlichen konservativ-rechten Mehrheit gegenüber.

Wie im Mitte-links-Lager befürchtet, gibt es erste Anzeichen dafür, dass sich diese bürgerlich-konservativen Kräfte nun gemeinsam hinter Hilbert versammeln. CDU-Innenminister Ulbig wird im zweiten Wahlgang nicht mehr antreten, er verhandelt mit Hilbert über ein Bündnis, das eine von der Stadtratsmehrheit getragene SPD-Oberbürgermeisterin verhindern soll. CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer gab am Montag bereits die Empfehlung, Hilbert zu unterstützen.

Der profillos, hausbacken und immer ein wenig teddyhaft wirkende Wirtschaftsbürgermeister feierte am Wahlabend das „Superergebnis“. In Anwesenheit seines FDP-Landeschefs Holger Zastrow strich er seine Überparteilichkeit heraus und erklärte, das konservative Bürgerbündnis habe „das Parteiensystem ganz schön aufgemischt“. Seine Ansprache auf der Wahlparty konnte Hilbert nicht beenden, weil Anhänger der Satirepartei „Die Partei“ in minutenlange Hochrufe und in Dauerapplaus ausbrachen. Die von ihr nominierte Dragqueen Lara Liqueur hatten immerhin 2,5 Prozent gewählt.

Noch längeren Beifall erhielt auf ihrer Wahlparty Eva-Maria Stange. Sie möchte nun bisherige Ulbig-Wähler aus dem Kulturbürgertum gewinnen. Hier sieht auch ihr Wahlkampfteam Reserven. Kulturaffinen Bürgern fiel die Entscheidung schwer, weil Stange auch als Kunstministerin sachsenweit einen hervorragenden Ruf genießt.

Politikwissenschaftler Hans Vorländer von der TU Dresden warnte davor, für den zweiten Wahlgang einfach die Stimmen rechts von Rot-Rot-Grün zu addieren. Die Karten würden neu gemischt. Auch zwischen der CDU und Hilbert gebe es inhaltliche Differenzen.

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