Qualitätsoffensive für Familiengutachter

JUSTIZ In Entscheidungen zum Sorge- und Umgangsrecht bei Familienkonflikten sollen nur noch ausgebildete Sachverständige eingeschaltet werden. Künftig werden die Anforderungen erhöht

FREIBURG taz | Justizminister Heiko Maas (SPD) will, dass Familiengerichte nur noch qualifizierte Gutachter einsetzen. Dies sieht ein Gesetzentwurf vor, den er letzte Woche auf der Webseite des Ministeriums veröffentlichen ließ.

Familiengerichte müssen viele Entscheidungen von großer lebenspraktischer Bedeutung treffen. Kann ein Kind in der Familie bleiben, wenn die Eltern Probleme mit der Erziehung haben? Soll ein Kind aus der Pflegefamilie zurück zu den leiblichen Eltern? Welches Umgangsrecht hat nach einer Trennung jener Elternteil, der nicht mit dem Kind zusammenlebt? Bis zu 10.000 derartige Gutachten werden nach Angaben der Deutschen Richterzeitung jährlich erstattet.

Die Qualität der Gutachten ist allerdings schon lange in der Kritik. Als wichtigster Beleg hierfür gilt eine Untersuchung der Psychologie-Professoren Christel Salewski und Stefan Stürmer aus dem Jahr 2014. Die Professoren prüften 116 familiengerichtliche Gutachten aus Nordrhein-Westfalen und kamen zum Schluss, dass mindestens ein Drittel nicht wissenschaftlichen Ansprüchen genügt. Die Gutachter hätten, so Salewski und Stürner, methodisch problematische Verfahren wie „unsystematische Gespräche“ und „ungeplante Beobachtungen“ angewandt. Viele der Testverfahren, etwas das Malen der Familie als Tiere, seien wissenschaftlich umstritten und erlaubten nur „spekulative“ Ergebnisse.

Ein besonders krasser Fall wurde im November 2014 durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bekannt. Dabei ging es um das Sorgerecht eines ghanaischen Asylbewerbers für sein Kind. Eine Gutachterin hatte dem Mann unterstellt, er bevorzuge „afrikanische Erziehungsmethoden“, die auf die Unterwerfung des Kindes zielten. Die Verfassungsrichter fanden jedoch keine Belege dafür. Die „Sachverständige“ war eine Heilpraktikerin mit esoterischer Ausrichtung.

So etwas soll künftig nicht mehr möglich sein. Laut Gesetzentwurf des Justizministeriums „soll das Gutachten durch einen Sachverständigen mit einer geeigneten psychologischen, psychotherapeutischen, psychiatrischen, medizinischen, pädagogischen oder sozialpädagogischen Berufsqualifikation erstattet werden“.

Allerdings wurden auch mehr als 90 Prozent der von Salewski/Stürner geprüften Gutachten von studierten Psychologen verfasst. Der Studienabschluss allein scheint also nicht zu genügen.

„Nachweislich höher“, so Salewski/Stürner, war die Qualität der Gutachten nur, wenn sie von zertifizierten „Rechtspsychologen“ erstellt wurden. Das sind Psychologen, die speziell für die Mitwirkung in gerichtlichen Verfahren ausgebildet sind. In Maas’ Gesetzentwurf werden sie aber nicht einmal erwähnt.

Der Gesetzentwurf enthält auch keine qualitativen Anforderungen an die Gutachten selbst. Solche Empfehlungen sollen die Fachverbände erarbeiten.

CHRISTIAN RATH