Für die taz in Stuttgart

TAZ AKADEMIE Fünf Tage lang sind sie auf dem Evangelischen Kirchentag unterwegs. Die Jungjournalisten über ihr Verhältnis zu Glauben und Kirche

Markus Lücker

Der liebste Christ ist mir der abstrakte – aus der Ferne beobachtet. Das ist nicht böse gemeint. Ich bin ein Fan der organisierten Kirche: das Minderwertigkeitskomplexe induzierende Konzept der Sünde, erdrückende Gruppendynamiken, Orgelmusik. Als Konzept hat das diese beeindruckende Schwere, die das Leben ein bisschen unerträglicher macht. Der anständige Christ hat ein deprimiertes Wrack zu sein. Ist er meistens nicht. Schade. Markus Lücker, 25, hat Theaterwissenschaft studiert

Imre Balzer

ChristInnen haben einen schlechten Musikgeschmack. Mit diesem Vorurteil bin ich zum Kirchentag gefahren. Xavier Naidoo, die Prinzen und der Kirchentags-Dauerbrenner Wise Guys. Der erste Eindruck übertraf dann alle Befürchtungen: Hinter einem Zelt sang eine Gruppe Pfadfinder „Atemlos“ von Helene Fischer – mit neuem christlichem Text. Das Wise-Guys-Konzert am Donnerstagabend habe ich mir geschenkt. Imre Balzer, 25, Student der Sozialwissenschaften

Hannah Weiner

Zu Hause habe ich eine Bibel und ein weiß-goldenes Gesangsbuch mit Kirchenliedern. Beides bekam ich zur Erstkommunion, in beides habe ich nie reingeschaut, beides verstaubt im Regal. Mit so was kriegt mich die Kirche nicht. Irgendwie kriegt die Kirche mich auch jetzt in Stuttgart mit Genderthemen, Riesenkonzerten und Promiaufgebot nicht. Dafür mag ich die lustigen Pfadfinder, oder zumindest beobachte ich sie gerne. Hannah Weiner, 25, freie Journalistin

Benedikt Peters

Als rheinischer Katholik mit einer Gewissheit aufgewachsen: Wir können nicht viel, aber feiern. Immerhin. Katholizismus ist Karneval. Kölle alaaf! Protestanten können keine Party. Pietistisch-preußische Tristesse, so bieder wie Angela Merkel. Nach schlaflosen Nächten in Stuttgart weiß ich: Pustekuchen! Die Innenstadt singt und tanzt, die Jugend knutscht in Hauseingängen. Fehlen nur noch „De Höhner“. Kirchentag alaaf! Benedikt Peters, 25, studiert Politikwissenschaft

Sarah Emminghaus

Ich bin Atheistin. Nie getauft, streng unreligiös aufgewachsen. Pubertierend mal in die katholische Jugendarbeit reingerutscht und erstaunlich viel Spaß gehabt – auch gelernt. Ich habe das Vorurteil, dass „Nächstenliebe“ und „Toleranz“ für viele Christen nur Schlagworte sind. Das wurde auf dem Kirchentag in Stuttgart teilweise bestätigt, teilweise widerlegt – Christen bilden natürlich auch keine homogene Masse. Sarah Emminghaus, 22, freie Journalistin

Marion Bergermann

Christen sind nett und weich und lieb, dachte ich immer. Das wurde mir hier bestätigt. Sie sind alle richtig nett und rücksichtsvoll, keiner rempelt, alle helfen sich aus, lachen zusammen. Aber auf eine entspannte Art, nicht übertrieben und ohne immer von Gott oder Jesus zu reden. Nachts in der Stuttgarter U-Bahn schrammelten Jugendliche mit Gitarre christliche Songs. Das war mir dann doch zu viel mit nett. Marion Bergermann, 26, studiert Sozialwissenschaften