Der klassische Hergang

RADVERKEHR Erneut Unfall durch abbiegenden Lkw – Aktivisten fordern Umbauten

Das Fahrrad liegt auf der Straße. Platt wie eine Flunder klemmt es am Donnerstag unter dem Rad eines Lasters. Der Unfall passierte gegen 11 Uhr an der Wilhelmstraße Ecke Französische Straße in Mitte. Es war offenbar der klassische Hergang: Ein Lkw biegt rechts ab – und übersieht die geradeaus fahrenden Radlerin. Zum Glück, sagt ein Polizeisprecher später, bestehe bei der Verunglückten keine Lebensgefahr.

Vier Fahrradfahrer sind in diesem Jahr bereits tödlich verunglückt. Der erste war ein 30-Jähriger, der Ende April in Kreuzberg auf der Reichenberger Straße ebenfalls unter einen rechtsabbiegenden Lastwagen geriet. Trotz verbesserter Spiegel, die den sogenannten toten Winkel verkleinern, werden immer noch viele Radler übersehen. Fahrradaktivisten fordern daher, durch einen Straßenumbau die Sichtbarkeit zu erhöhen.

Auf der Wilhelmstraße gibt es allerdings schon seit Jahren eine Radspur – doch das reicht offenbar nicht aus. Das hat nun sogar Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) erkannt: Im Mai stellte er die 54-seitige Studie „Sicher geradeaus! Leitfaden zur Sicherung des Radverkehrs vor abbiegenden Kfz“ vor. „Gerade angesichts hoher Unfallzahlen besteht Handlungsbedarf“, schreibt Geisel im Vorwort. Der Leitfaden liest sich wie ein Wunschkatalog von Fahrradaktivisten: Da wird als „Grundvoraussetzung“ ein „Vorlaufgrün“ für Radler an Ampeln genannt, und als weitere Maßnahme etwa die komplette Einfärbung der Radspuren vorgeschlagen. Nur ob und wann diese Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden sollen, lässt Geisel offen.

Dass Handlungsbedarf besteht, zeigt der ernorme Zuwachs des Radverkehrs: Laut Zählungen an acht Kreuzungen ist die Radlerzahl seit 2001 um 50 Prozent gestiegen, in Mitte hat sie sich verdoppelt, in Kreuzberg sogar fast verdreifacht. GEREON ASMUTH