Bitte nicht spenden!

PARTEITAG Der Linke-Vorstand will in Zukunft auf Geld von Unternehmen verzichten. Aber sind Ausnahmen okay? Und was ist mit Würsten?

BERLIN taz | Die ganz großen Weichen stellt die Linkspartei in Bielefeld nicht. Auf dem Parteitag am Wochenende stimmt sie weder über neue Vorsitzende ab noch über Wahlprogramme oder Kandidatenlisten. Zwischen einer Debatte zum Grundeinkommen (ganz allgemein, ohne Beschluss) und der Rede des Fraktionschefs (Gregor Gysi verrät endlich, wie lange er noch im Amt bleibt) steht aber zumindest eine kleine Grundsatzentscheidung an: Die Partei will beschließen, von Unternehmen aus Prinzip kein Geld mehr anzunehmen – überlegt aber noch, wie konsequent sie wirklich sein möchte.

Die Debatte hat eine lange Vorgeschichte: Im Bundestag fordert die Linksfraktion seit Langem ein generelles Verbot von Unternehmensspenden. Im vergangenen Jahr fiel dem Parteivorstand dann auf, dass es glaubwürdiger wirkt, wenn die Linke mit gutem Beispiel vorangehen – auch wenn Konzerne sie in der Praxis ohnehin von Großspenden verschonen. Also debattierte schon der letzte Parteitag über eine Satzungsänderung.

Der Antrag, sämtliche Unternehmensspenden abzulehnen, erhielt aber keine Mehrheit. Zu wichtig fanden die Delegierten die gelegentlichen Spenden. Einer argumentierte, für das Sommerfest seines Ortsverbandes stifte die lokale Metzgerei regelmäßig Bratwürste. Die seien für die Partei unverzichtbar.

Also schrieb Schatzmeister Thomas Nord für den kommenden Parteitag einen neuen Antrag. „Die Partei verzichtet grundsätzlich auf Unternehmensspenden“, steht darin. Im Einzelfall dürften die Landesverbände aber Ausnahmen erlauben. Über mögliche Einsprüche müsse dann der Bundesvorstand entscheiden. „Das ist hoffentlich ein akzeptabler Kompromiss“, sagt Nord.

Das sieht aber nicht die gesamte Partei so. „Auch der kleine Fleischer weiß, dass sich bei Gelegenheit jemand an seine Würste erinnert“, sagt die Bundestagsabgeordnete Halina Wawzyniak. Wer glaubhaft verhindern wolle, dass Unternehmen Einfluss auf die Politik nehmen, dürfe also keine Ausnahmen zulassen.

Und der aktuelle Vorschlag führe zu einem neuen Problem: Wer eine Spende erst nach einem monatelangen Beschwerdeverfahren zurücküberweise, müsse sie laut Parteiengesetz im Rechenschaftsbericht vermerken. Damit bekäme die Partei automatisch mehr Geld vom Staat, der für jeden gespendeten Euro 38 Cent obendrauf legt. Und das, obwohl die Partei das Spendensystem doch eigentlich ablehnt. „Moralisch fände ich es nicht unbedingt angemessen, dieses Geld anzunehmen“, sagt Wawzyniak.

Vielleicht gibt es aber zumindest für dieses Problem eine Lösung. Der Parteienrechtler Sebastian Roßner muss nach Anfrage der taz zwar erst eine Nacht über das Konstrukt schlafen, da der Linken-Vorschlag absolutes Neuland ist. Dann sieht er aber einen Ausweg: „Eine Parteispende ist zivilrechtlich gesehen ein Vertrag zwischen Spender und Partei. Sie gilt erst dann als vollzogen, wenn die Partei das Geld angenommen hat.“

Solange die Partei nicht gemäß ihrer Satzung entschieden habe, das Geld (oder die Wurst) wirklich zu behalten, sei die Schenkung nicht abgeschlossen. „Um die politische Intention der Partei zu schützen, Unternehmensspenden auszuschließen, muss die Spende bis zu einer Annahme durch den Vorstand auch noch nicht im Rechenschaftsbericht auftauchen.“ Und damit wäre die Partei auch nicht in der unangenehmen Lage, für jede abgelehnte Wurst ein paar Cent aus der Staatskasse zu erhalten.

TOBIAS SCHULZE