Weniger Stress, weniger soziale Selektion

BILDUNG Aufwertung der Gesamtschule, Schluss mit der Festlegung der Berufschancen schon in der vierten Klasse, mehr Zeit zum gemeinsamen Lernen: Niedersachsen setzt auf mehr Chancengleichheit

Unter heftigstem Protest der Opposition haben SPD und Grüne im niedersächsischen Landtag ein neues Schulgesetz beschlossen. Geregelt wird damit die Rückkehr zum Abitur nach 13 Schuljahren, die Abschaffung der „Schullaufbahnempfehlungen“ gegen Ende der Grundschulzeit und die Inklusion, also der gemeinsame Unterricht für behinderte und nichtbehinderte Kinder – und damit auch das Ende vieler Förderschulen.

CDU und FDP protestierten besonders gegen die Aufwertung der Gesamtschulen: Sie gelten künftig als „ersetzende Schulform“ – den Willen von Städten und Kreisen vorausgesetzt, können diese Schulträger in Zeiten sinkender Schülerzahlen künftig auf das Angebot eines Gymnasiums verzichten. Allerdings muss sichergestellt sein, dass alle SchülerInnen ein Gymnasium etwa in Nachbargemeinden „unter zumutbaren Bedingungen“ erreichen können.

Christdemokraten wie Fraktionschef Björn Thümler sehen Niedersachsen trotzdem auf dem Weg zum „Einheitsschulland“ – Rot-Grün lege „die Axt an das vielfältige niedersächsische Schulsystem“, das auch Haupt-, Real- und Oberschulen vorsieht. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr warnte sichtbar erregt vor einer „Vergesamtschulung des Bildungswesens“ aus ideologischen Gründen. Auch der Philologenverband der Gymnasiallehrer wertete das Gesetz als „Absage an den Schulfrieden“.

Unterstützung kam dagegen von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Wohlfahrtsverbänden und dem DGB: Diese hoffen wie SPD-Kultusministerin Frauke Heiligenstadt auf mehr Chancengleichheit. So habe etwa die „Schullaufbahnempfehlung“, die oft über den Wechsel an Hauptschule oder Gymnasium entschied, gerade Kinder aus ärmeren Familien abgewertet, so Heiligenstadt.  WYP