Kein Pass, keine Teilhabe

DISKRIMINIERUNG Wer als Flüchtling nur geduldet ist, bekommt bei der Sparkasse in Bremen neuerdings kein Konto mehr. Damit verstößt das Geldinstitut gegen EU-Recht. Während Privatbanken strenger sind, ist die Sparkasse in Hamburg großzügiger – noch

„Geduldete Flüchtlinge“, erklärt die Hamburger Sparkasse, „können bei uns grundsätzlich ein Konto eröffnen“

VON JAN ZIER

Geduldete Flüchtlinge haben in Bremen kaum noch Chancen auf ein eigenes Bankkonto. Das hat gravierende Folgen: Kein Konto, keine Teilhabe – so einfach ist das. Und es geht noch weiter: Kein Konto, keinen Job, keine eigene Wohnung, keinen Vertrag für ein Mobiltelefon, keine Mitgliedschaft in einem Verein oder Fitnessstudio. Auch Ämter fragen immer wieder nach dem Konto, wenn es ums Geld geht.

Das Problem: Das Geldwäschegesetz verlangt von allen, die ein Girokonto eröffnen wollen, ein „amtliches Identitätspapier mit Lichtbild“. Also einen Pass. Aber den haben gerade Geduldete oft nicht, oder nicht mehr. Sie haben meist nur Duldungspapiere. Zwar hat die Sparkasse Bremen in der Vergangenheit auch mit derlei Bescheinigungen ein Girokonto eröffnet. Doch damit sei seit Ende Mai Schluss, erklärt ein Sprecher: Nicht nur wegen des genannten Gesetzes, auch weil „die Fallzahlen zunehmen“, akzeptiere man Duldungspapiere nur noch dann, wenn diese als „Legitimationspapiere“ gekennzeichnet seien. Das aber müssen sie nicht sein.

In der Bremer Innenbehörde war das Problem allerdings bislang unbekannt. Auf Nachfrage heißt es, Geduldete hätten doch die Möglichkeit, bei der Ausländerbehörde einen Ausweisersatz zu beantragen. Man werde sich dann „schnellstmöglich“ kümmern. Außerdem wolle das SPD-geführte Bremer Innenressort auf Bund-Länder-Ebene „Lösungsmöglichkeiten erörtern“.

Für eine Reform in diesem Zusammenhang haben sich auf Bundesebene jüngst die Grünen eingesetzt – scheiterten aber im Bundestag an den Mehrheitsverhältnissen und der großen Koalition. Dabei müsste Deutschland an diesem Punkt längst weiter sein: Schon seit 2014 gibt es EU-weit eine Richtlinie, die allen Menschen den diskriminierungsfreien Zugang zu einem Girokonto zusichern soll, Obdachlosen ebenso wie AsylbewerberInnen oder Flüchtlingen, die nur geduldet sind – und so eine Duldung kann viele Jahre dauern. Allein: Die Zahlungskontenrichtlinie ist noch nicht in deutsches Recht umgesetzt worden, Berlin hat dafür noch bis September 2016 Zeit. Auch Bremens Sparkasse wartet, bis es soweit ist. „Hier ist der Gesetzgeber gefordert, eine schnelle Lösung zu schaffen“, sagt ihr Sprecher.

Während die Sparkassen im Bremer Umland schon länger als deutlich rigider gelten, ist jene in Hamburg großzügiger: „Geduldete Flüchtlinge können bei uns grundsätzlich ein Konto eröffnen“, sagt ein Sprecher der Hamburger Sparkasse. Privatbanken wiederum sind dazu tendenziell weniger bereit: Zwar habe man bei der Commerzbank in Bremen auch gute Erfahrungen gemacht, sagt etwa eine Sprecherin des Vereins Fluchtraum, der sich um unbegleitete minderjährige Flüchtlinge kümmert. Die Bank selbst aber erklärt, ein „gültiges Ausweispapier“ müssten auch Geduldete vorlegen.

Als kulanter galt lange auch die Postbank, verlangt inzwischen nach eigenen Angaben aber von allen Menschen aus Nicht-EU-Staaten einen Pass. Sonstige Papiere werden demnach nur akzeptiert, wenn sie mit dem amtlichen Vermerk „Ausweisersatz“ versehen sind – Ausnahme: Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien.

Ob es bei Bank oder Sparkasse ein Konto gibt oder nicht, das wird also „sehr willkürlich gehandhabt“, sagt Gundula Oerter von der Bremer Flüchtlingsinitiative. Wer am Ende ein Konto bekomme, hänge auch schon mal von der jeweiligen Zweigstelle oder von einzelnen MitarbeiterInnen ab. Eine Ablehnung wird BetreuerInnen zufolge mal mit dem fehlenden Pass begründet, mal aber auch mit den Kontoführungsgebühren, auf denen die Bank womöglich sitzen bleiben könnte, wenn der Flüchtling abgeschoben wird. „Es gibt da keine Transparenz und keine Rechtssicherheit“, sagt Oerter.

Wer aber kein Konto eröffnen kann, der kann auch kaum am wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Leben teilhaben. „Das ist höchst problematisch“, sagt Oerter – selbst Sozialämter zahlen nicht ohne Weiteres in bar aus. „Das ist ein wahnsinniger Aufwand“, so Oerter. Und ein „Dauerbrenner“ für all jene, die Geflüchtete betreuen.

Die neuerdings gültige Regelung „ist ein klarer Rückschritt“, sagt Sylvia Pfeiffer von Fluchtraum: Geduldeten das Konto zu verwehren, nennt sie eine „Frechheit“. Dabei war die Sache mit dem Legitimitätsnachweis noch bis 2009 kein Problem. Sie müsste es auch jetzt nicht sein, selbst wenn man die Geldwäsche bekämpft sehen will: Flüchtlinge, oft unverschuldet ohne Pass, müssen ja in der Regel ihre Fingerabdrücke abgeben. Ihre Identität steht also zweifelsfrei fest.