Oh, là, là

SPORTLICH-AMOURÖSES Mit Bastian Schweinsteiger als Spielerinnenmann läuft Ana Ivanovic bei den French Open zu großer Form auf

AUS PARIS JÖRG ALLMEROTH

Auf der Präsidententribüne des Stadions Philipp Chartrier gibt der Mann mit der Schnöselfrisur neuerdings den obersten Einpeitscher. Wenn seine Freundin Ana Ivanovic die Ausscheidungskämpfe auf rotem Sand bestreitet, dann jubelt und leidet keiner so schön wie Bastian Schweinsteiger, der Fußballweltmeister. Keiner inszeniert das Gefühlskino vor den Augen von Tausenden Fans und Millionen an den Bildschirmen mit vergleichbarer Intensität.

Schweinsteiger, vor knapp einem Jahr die Heldenfigur beim deutschen Finalsieg in Rio, ist pausenlos im Einsatz für seine Liebste, nicht etwa nur beim Jubelkonzert auf den Courts, sondern auch dann, wenn die TV-Kameras ausgeschaltet sind: Zu den Trainingseinheiten schleppt der 30-jährige Bayer klaglos die Tennistasche seiner serbischen Lebensgefährtin. Hat Ivanovic Durst, betätigt sich der Kicker auch gern als Wasserträger.

„Ana auf den Flügeln der Liebe“, befand L’Équipe mit gewohntem Pathos. Warum auch nicht, schließlich ist Ivanovic nach einem glatten Zwei-Satz-Sieg am Dienstag gegen die Russin Elina Switolina ins Halbfinale eingezogen. Erstmals seit dem grandiosen French-Open-Triumph des Jahres 2008 und dem Sprung auf Platz 1 der Weltrangliste schien die Athletin wieder in der Lage, im Spiel um einen der großen Pokale mitzumischen. „Ich bin mit mir im Reinen als Spielerin, als Profi“, sagt Ivanovic vor dem Halbfinalmatch gegen Lucie Safarova aus Tschechien, „endlich kann ich Tennis genießen, fühle mich nicht mehr wie in einem Hamsterrad. Früher habe ich mich viel zu sehr unter Druck gesetzt, jetzt bin ich entspannter, aber auch fokussierter.“

Nur auf Fragen, ob auch ihr neuer Lebenspartner für das neue Formhoch verantwortlich sei, gibt sich Ivanovic zugeknöpft, spricht von einem „wunderbaren Team“ und von „positiven Menschen, die ich um mich herum habe“. Als in einer Pressekonferenz am Dienstag wieder äußerst vorsichtig nach „Bastians Einfluss“ gefragt wurde, ging schließlich ein Geschäftsbesorger der Serbin dazwischen: „Nächste Frage.“ Kurios, dass auf dem YouTube-Kanal der French Open wenig später ein Filmchen zu sehen war, bei dem Bastian Schweinsteiger und Ana Ivanovic innige Küsse und Umarmungen nach dem Sieg gegen Svitolina austauschten.

Für die Paparazzi-Meute in Frankreichs Kapitale sind Schweinsteiger und seine Herzensdame das neueste, ultimative Objekt der Begierde – „tausendmal besser als Maria Scharapowa und ihr Spielerfreund Grigor Dimitrow“, wie einer der professionellen „Abschießer“, also ein Fotograf, findet. Dem turtelnden Pärchen lauern Knipser fast rund um die Uhr und überall in Paris auf – nicht nur auf und rund um die Turnieranlage nahe dem Bois de Bologne, sondern auch um diverse potenzielle Hotelquartiere in der Pariser Innenstadt. Ähnlich hysterische Zustände bei bunten Blättern hatte zuletzt nur die Tennis-Liasion von Steffi Graf und Andre Agassi ausgelöst – lang, lang ist’s her, inzwischen schon über anderthalb Jahrzehnte.

Nähergekommen waren sich der Mann aus Las Vegas und die scheue Deutsche erstmals so richtig in Paris, bei den denkwürdigen Internationalen Französischen Meisterschaften des Jahres 1999, bei denen sie jeweils die Siegerpokale holten.

Das werden Schweinsteiger und Ivanovic nicht schaffen. Aber der Spielerinnenmann, der von Lisicki-Lebensgefährte Oliver Pocher im Club willkommen geheißen wurde, verfehlt nicht seine inspirierende Wirkung: Ivanovic spielt so zupackend, entschlossen und beschwingt wie seit Langem nicht mehr, jene Ivanovic, die viele in der Szene schon abgeschrieben hatten: zu viel Kulissentheater, Geraune über Gewichtsprobleme, zu viele Trainerentlassungen. „Ich wusste oft nicht mehr weiter. Traf falsche Entscheidungen, es war chaotisch. Jeder Coach wollte mir ein anderes Spiel aufzwingen“, sagt Ivanovic, „irgendwie konnte ich gar nicht mehr ich selbst sein.“

Schweinsteiger, so wollen es die Eingeweihten wissen, habe vor, bis zum Wochenende in Paris zu bleiben. Der Mann vertraut seiner Ana, denn es wäre auch, logisch, das Wochenende des Damenfinales.