Schutzbedürftige Harvestehuder

SCHÖNER WOHNEN Das Verwaltungsgericht bestätigt, dass im Wohngebiet Harvestehude vorerst kein Flüchtlingsheim gebaut werden darf – wegen des „geschützten Wohngebiets“

Grundstücke, die in „besonders geschützten Wohngebieten“ liegen, müssen nach dem Baurecht Wohnzwecken dienen. Das tun Flüchtlingsunterkünfte laut dem Oberverwaltungsgericht nicht.

■ Wohnnutzung bedeutet laut Richterbeschluss: „Eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, Eigenständigkeit der Haushaltsführung und Freiwilligkeit des Aufenthalts.“

■ Diese Freiwilligkeit sei bei Personen, die aus Notsituationen heraus untergebracht werden, oder weil sie keine eigene Wohnung haben, nicht gegeben.

■ Eine auf Dauer angelegten Häuslichkeit sei ebenfalls nicht gegeben, weil Flüchtlingsheime vorübergehende Unterkünfte sind.

■ Ein Mindestmaß an Intimität muss außerdem bestehen, damit eine Wohnnutzung zutrifft – auch das sei nicht der Fall.

VON KATHARINA SCHIPKOWSK

Das Oberverwaltungsgericht hat den Baustopp für ein Flüchtlingsheim an den Sophienterrassen in Harvestehude bestätigt und damit eine Beschwerde des Bezirksamts Eimsbüttel abgewiesen.

Zu dem Baustopp war es gekommen, nachdem AnwohnerInnen Widerspruch gegen die Pläne des Senats eingelegt hatten, 220 Flüchtlinge in dem früheren Kreiswehrersatzamt an der Alster unterzubringen. Dabei berufen sie sich auf den geltenden Bebauungsplan, der aus dem Jahr 1955 stammt und die Gegend als „besonders schützenswertes Wohngebiet“ ausweist. Die Grundstücke dort müssen Wohnbedürfnissen dienen – die Unterbringung von Flüchtlingen sei aber keine Wohnnutzung im engeren Sinne, sondern eher als soziale Einrichtung zu verstehen, argumentierten sie.

Während der Widerspruch gegen das Bauvorhaben noch geprüft wird, entschied das Verwaltungsgericht im Januar für einen Baustopp. SPD, Grüne und Die Linke hatten den Gerichtsentscheid scharf kritisiert. „Wir können und werden diese Entscheidung nicht akzeptieren“, hatte Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) damals gesagt. Das zuständige Bezirksamt Eimsbüttel hatte Widerspruch gegen den Baustopp eingelegt, der nun abgewiesen wurde.

In seiner Begründung stuft der Richter, ebenso wie die klagenden AnwohnerInnen, die geplante Unterkunft als soziale Einrichtung, nicht als Wohnkomplex ein – und solche sind in besonders geschützten Wohngebieten nur als „kleine Anlagen“ erlaubt. Klein sei die geplante Unterkunft aber nicht.

Das Gericht hatte sich zuvor um einen Kompromiss bemüht und Verhandlungen über die Größe und die Dauer der Nutzung vorgeschlagen. Aber die KlägerInnen wollten nicht verhandeln.

Das Bezirksamt plant nun, den Bebauungsplan für das Gebiet zu ändern. Dann dauert es aber noch mindestens ein Jahr, bis der neue Bebauungsplan in Kraft treten kann.

Die Bürgerschaftsfraktionen von SPD und Grünen bezeichneten das Bauvorhaben als „aufgeschoben, aber nicht aufgehoben“. Man werde weiter alles Notwendige tun, damit die Unterbringung von Flüchtlingen an diesem Standort möglich werde, sagte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Ksenija Bekeris. Die Unterbringung von Flüchtlingen sei Aufgabe der ganzen Stadt: „Auch vermeintlich besser gestellte Stadtteile dürfen sich der Verantwortung nicht entziehen.“

Die Flüchtlingspolitische Sprecherin der Linksfraktion nannte das Verhalten der KlägerInnen „erbärmlich“ und bedauerte, dass das Oberverwaltungsgericht dieses mit seinem Urteil bestätigt habe. Die Botschaft des Urteils sei verheerend: „Wer Geld hat, kann sich seiner humanitären Verpflichtungen entledigen.“