DIE GESELLSCHAFTSKRITIK
: Wir Furchtbaren

WAS SAGT UNS DAS? Viele Menschen werden zu Monstern, wenn sie im Auto sitzen. Das Magazin „Wired“ gibt ein paar Hinweise, warum das so ist

Seit Jahren werben Kampagnen für Rücksicht im Straßenverkehr, viel genutzt hat das nicht. Sobald sich die Autotür schließt, werden viele Menschen zu Monstern. Es wird geflucht, gedrängelt, heimgezahlt – nur wenn wir mal barmherzig sind, lassen wir wem die Vorfahrt.

Ein Artikel der Wired liefert Antworten auf die Frage: Warum werde ich im Auto zu diesem fürchterlichen Menschen? Anonymität in Gruppen, irrationale Schlüsse und rudimentäre Kommunikation werden dort angeführt. Die Kurzversion: Wir alle sind ziemlich scheiße, wenn wir für unsere Taten keine Verantwortung tragen müssen. Absurd, denn es sind doch die anderen, die uns durch ihre Fahrerei zur Weißglut treiben!

Betrachtet man das Auto mithilfe des Philosophen Marshall McLuhan, kann man es als Verlängerung des menschlichen Körpers begreifen. Je größer, desto besser, desto mehr Macht – die man ausübt, um zum Beispiel andere für ihren plötzlichen Spurwechsel zu bestrafen. Natürlich müssen wir als mächtige Maschinenmenschen das alles regeln können. Dass wir dabei keine Ahnung haben, wieso der Idiot vor uns so langsam fährt – ist Nebensache. Und also thronen wir Autofahrer hinter dem Lenkrad und wachen über die Straße. Dabei ist unser Verhalten ein Zeichen dafür, dass wir unzufriedene Diktatoren oder verzweifelte Kontrollfreaks in einer kleinen Schale aus Stahl und Glas sind, die nichts am Verhalten der anderen ändern können. Vielleicht ist Fluchen da eine Art der Resignation. JAN RUSSEZKI