DAS WIRD DER MONAT, DER WIRD (6)
: Die Entgrenzung der Geografie

VORSCHAU Heute mit Migräne im Schienbeinköpfchen, aufgelösten Eifel-Golfern und einem tapferen Kleinschotten in Great Britain

Reykjavik/Vatikan, 1. Juni. Bei der Eröffnungsfeier der 16. Spiele der kleinen Staaten von Europa kündigt Gastgeber Island an, in der ewigen Medaillenwertung „endlich diesen Zwergstaat Zypern überholen“ zu wollen. Momentan steht es bei den Goldmedaillen 414:417. Gleichzeitig wird sportiver Tatendurst aus dem Vatikan gemeldet. Der Mikrostaat, in Reykjavik wegen des fehlenden NOK nicht teilnahmeberechtigt, plant eine „WM der katholischen Superkleinststaaten“ und meldet Kontakte zu den Seychellen, nach Belize, Pitcairn und Tonga. Disziplinen: Weihrauchfass-Schwenken auf dem Schwebebalken, Marathonbeten, Knabenschubsen im Kerzenschein.

München, 7. Juni. Bayern-Trainer Pep Guardiola kündigt trotz des erfolgreichen Drittel-Triples seinen Job: „Zwei Jahre für drei Titel ist sehr, sehr viel zu lang.“ Die Münchner kündigen auf Pep-Deutsch „ganz, ganz neue Wege“ in der Trainersuche an. Zudem will der FC Bayern ab 2015 mit einem 15-Punkte-Malus in die Bundesliga starten, um die interne Spannung länger aufrecht zu erhalten.

Köln, 10. Juni. Das durchgejoggte 0:2 im Testspiel der deutschen Nationalelf gegen die USA wird als Dankbarkeitsgeste gedeutet für das freundliche 0:1 der Cleansmen bei der WM. Ein Problem bleibt: das EM-Qualifikationsspiel gegen den Scheinstaat Gibraltar am 13. in Faro. Immer noch kein Urlaub! Noch mal aufs Feld?! Joachim Löws Telefon läuft heiß: Absage auf Absage wegen „muskulärer Probleme“, wegen „mentaler Zerlaugtheit“ und „Migräne im Schienbeinköpfchen“. Eine Elf aus tapferen Drittligareservisten und Hartz-IV-Empfängern („Kurzzeitjob im Ausland. Sportklamotten werden gestellt. Sofort melden!“) schafft ein umjubeltes 4:3.

Baku, 12. Juni. Die 1. European Games mit 6.000 SportlerInnen aus 50 Ländern finden unerklärlicherweise im Ölstaat Aserbaidschan statt, also in Asien. Zu den Teilnehmern gehört auch Israel. Das Fehlen der transkontinentalen Fasteuropäer aus Australien, zuletzt im Fußball Asienmeister und Teilnehmer beim Eurovision Song Contest, erklärt ein Verbandssprecher: „Wir bereiten uns gerade intensiv auf den African Cup of All Nations vor, der 2016 im südamerikanischen Bereich der Antarktis stattfinden soll.“

Frankfurt am Main, 17. Juni. Gelaufen wird schier überall zu jedem Zweck: An der „J.P. Morgan Corporate Challenge“ über 3,5 Meilen (Start: Börsenstraße) dürfen nur Angestellte aus Fachfirmen, Behörden und Finanzinstituten teilnehmen, so die Ausschreibung. „Bei diesem Lauf geht es erst in zweiter Linie um Sport“, sondern um „Werte wie Teamgeist, Kommunikation, Kollegialität, Fairness und Gesundheit“. Dass im kriminellen Zockermilieu „der Begriff Werte jenseits von Bilanzwerten genannt werden darf“, zeige eindrucksvoll, „wie liberal unser Rechtsstaat ist“, schreibt Joachim Gauck in einem Grußwort.

Tacoma, 18. Juni. Nach dem Cut in der Liebesbeziehung von Bälleprügler Tiger Woods und der Alpin-Skieuse Lindsey Vonn twittert Golffachmann Harald Schmidt zum Start der US Open in Chambers Bay verständnisvoll: „1 unter Paar ist doch ein ganz passables Ergebnis“.

Bitburg, 27. Juni. Pech haben die TeilnehmerInnen des „Eifel Golf Marathon“ über 54 Loch und 32 Kilometer Gehstrecke. Es regnet in Strömen. In der Umkleidezone gelingt der Beweis, dass es wasserdichte Schuhe nicht gibt und menschliche Füße nach 12 Stunden Einweichen, „wie bei Professor Börnes Leichen auf dem Seziertisch aussehen können“, wie eine aufgelöste Teilnehmerin erzählt.

London, 29. Juni. Der schottische Separatistenathlet Andy Murray schickt sich an, erstmals das Tennisturnier „im englischen Ausland von Wimbledon“ zu gewinnen. Er trete „für ein leider immer noch abhängiges Schottland an, nicht für den Union Jack“, sagt Murray. Er scheitert in Runde 1, der Boulevard höhnt: „Gib das Olympiagold für Great Britain zurück, du Kleinschotte.“

BERND MÜLLENDER