Es bleibt alles beim Alten (79)

FIFA-CHEF Nach seiner Wiederwahl verbreitet Sepp Blatter Verschwörungstheorien über die Motivation der US-amerikanischen Ermittler. Seine Kritiker sind vorerst verstummt

„Man darf nicht vergessen, dass die USA der Hauptsponsor meines Gegner sind“

SEPP BLATTER

VON MARTIN KRAUSS

Nein, dass Sepp Blatter als Präsident der Fifa den Weltfußball in den nächsten fünf Jahren unumstritten regieren kann, lässt sich nach dem 65. Fifa-Kongress in Zürich nicht gerade behaupten. „Ich denke, dass er gezwungen sein wird, seinen Hut zu nehmen“, sagte der englische Verbandschef Greg Dyke am Samstag vor Journalisten. Sowohl die Bild-Zeitung als auch die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung warnen vor einem drohenden „Fußball-Krieg“.

Blatter geht jetzt gegen seine – erfolglosen – Kritiker vor. Dass auf Betreiben der US-amerikanischen Justiz sieben Fifa-Funktionäre in Zürich verhaftetet wurden, nur zwei Tage vor seiner Wiederwahl, ist für Blatter „kein Zufall“, wie er im Schweizer Fernsehen sagte: „Es gibt Zeichen, die nicht täuschen: Die Amerikaner waren Kandidaten für die WM 2022 und sie haben verloren.“ Auch seinen mit 77 Gegenstimmen erstaunlich erfolgreichen Gegenkandidaten bei der Präsidentenwahl, den von den Europäern unterstützten jordanischen Prinzen Ali Hussein, ordnete er in seine Verschwörungstheorie ein. „Man darf nicht vergessen“, fabulierte er über die USA, „dass sie der Hauptsponsor des haschemitischen Königreichs sind, also von meinem Gegner.“ Blatter weiter: „Diese Sache riecht nicht gut.“

In einem Interview mit dem Schweizer Boulevardblatt Sonntagsblick berichtete Blatter, sein Gegenspieler Michel Platini, Präsident des europäischen Verbandes Uefa, habe ihm kurz vor der Wahl einen Deal angeboten: Erst habe der Franzose ihm „einem guten Whisky unter Freunden“ angeboten und dann gesagt: „Sepp, du machst den Kongress, und am Schluss gibst du bekannt, dass du zurücktrittst. Du bekommst ein gigantisches Fest und dein Büro hier bei der Fifa kannst du behalten.“ Alles habe Blatter abgelehnt: Whisky, Rücktritt, Fest und Büro.

Über DFB-Präsident Wolfgang Niersbach, der auch gegen Blatter votiert hatte und auf dem Kongress in die Fifa-Exekutive gewählt wurde – das ist das Gremium, aus dem sieben Mitglieder gerade verhaftet wurden –, sagte Blatter: „Ich habe mit Franz Beckenbauer telefoniert. Er sagte mir, er jedenfalls habe den deutschen Verbandspräsidenten zusammengefaltet, weil der gegen mich stimmte.“ Vom DFB wird dieses Telefonat bestritten.

Das Tagesgeschäft der Fifa lief derweil – auch wegen der Zürcher Kongressregie des Sepp Blatter – weiter, wie man es kannte oder, Verzeihung: wie geschmiert. Ein Antrag des palästinensischen Fußballverbandes, Israel aus dem Weltverband auszuschließen, immerhin ein Uefa-Mitglied, konnte im letzten Moment abgebügelt werden. Der palästinensische Funktionär Dschibril Radschub wedelte am Rednerpult mit einer Roten Karte, berichtete von Gesprächen mit Blatter, Platini und dem südafrikanischen Bischof Desmond Tutu, die ihn gebeten hätten, den Antrag fallen zu lassen. Stattdessen stimmte der Kongress, auch mit Unterstützung der israelischen Delegation, dafür, eine Kommission zu gründen, die die palästinensischen Vorwürfe untersucht. Nach seiner Rede bedankte sich Radschub herzlich bei Blatter und Platini.

Nichts verändert sich übrigens auch an der Zahl der Startplätze bei den Fußballweltmeisterschaften 2018 und 2022: Neben dem Gastgeber dürfen sich 13 europäische und fünf afrikanische Teams qualifizieren, aus Südamerika und Asien kommen jeweils vier oder fünf Teilnehmer, aus Nord- und Mittelamerika drei oder vier, aus Ozeanien einer oder gar keiner. Ab 2026 könnten dann sogar 40 Mannschaften teilnehmen, darüber soll in den kommenden Jahren beraten werden.

Zum Fifa-Tagesgeschäft gehört auch, dass das Verfahren der Ethikkommission gegen Franz Beckenbauer weiterläuft. Der Kaiser ist auch Mitglied des Exekutivkomitees, dessen Rolle bei der WM-Vergabe an Russland und Katar Gegenstand von Untersuchungen ist. Dass die Turniere in diesen Ländern stattfinden sollen, wurde auf dem großen Jahreskongress der Fifa gar nicht erst in Frage gestellt.

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