Sigmar soll sich lieber raushalten

ERZIEHERINNENSTREIK Arbeitgeber und Gewerkschaften treffen sich heute zu neuen Gesprächen. Die Grundlage der Verhandlungen ist aber dünn

„Das Angebot ist sicherlich nicht ausreichend“

CHRISTOPH SCHMITZ, VERDI

VON ANNA LEHMANN

BERLIN taz | Seit drei Wochen streiken die ErzieherInnen und Sozialpädagogen, und sie haben sich zumindest in zwei Punkten durchgesetzt: „Montag“ und „Berlin“. Dann nämlich treffen sich die Verhandlungskommissionen der Vereinigung kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) und der Gewerkschaft Verdi in Berlin. Die VKA hatte ursprünglich zu Gesprächen am Dienstag in Frankfurt/Main eingeladen. VKA-Präsident Thomas Böhle und der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske werden die Verhandlungen führen, die am Dienstag und wohl auch am Mittwoch fortgesetzt werden.

Doch abgesehen davon haben die Arbeitgeber bisher keine Zugeständnisse an die streikenden Mitglieder von Verdi, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und des Beamtenbundes gemacht. Nach dem Motto „Alle oder keiner“ fordern die Gewerkschaften eine höhere Eingruppierung für die 220.000 Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst. Das lehnen die Kommunen ab.

„Eine Einkommenserhöhung pauschal für alle, das machen wir nicht mit“, sagte der Lüneburger Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD) der taz. Mädge ist Mitglied der achtköpfigen Verhandlungskommission der VKA. Diese schlägt vor, dass nur diejenigen ErzieherInnen um eine Gehaltsstufe aufsteigen, die eine besondere Qualifikation nachweisen können, etwa eine Fortbildung zur Sprachförderung besucht haben. Dafür müssten sie aber Zertifikate nachweisen. „Wir brauchen Differenzierung und Weiterbildung – das soll belohnt werden“, begründete Mädge die Staffelung. Auch KitaleiterInnen von kleinen Einrichtungen sowie solchen, die sehr große Häuser leiten, wollen die Arbeitgeber Gehaltserhöhungen zubilligen.

Das Angebot, welches die VKA jetzt vorlegt, ist inhaltlich identisch mit ihren Vorschlägen vom April. Diese hatten die Gewerkschaften damals brüsk zurückgewiesen und waren nach Urabstimmungen in jenen Streik getreten, der auch am Montag andauert.

„Das Angebot ist sicherlich nicht ausreichend“, sagte Verdi-Sprecher Christoph Schmitz. Man gehe aber mit dem Ziel in die Verhandlungen, ein Ergebnis zu erreichen. Bis dahin werde weitergestreikt.

Den derzeitigen Vorschlägen der VKA zufolge würde ein Kitaerzieher mit dreijähriger Berufserfahrung, der eine Fortbildung zum Integrationserzieher besucht hat, statt 2.768 künftig 2.807 Euro brutto verdienen – also 39 Euro mehr. Sozialarbeiter oder Beschäftige in Behinderteneinrichtungen tauchen in dem VKA-Angebot gar nicht auf.

„Die Sozialpädagogen sind 2011 mit Einkommenserhöhungen von bis zu 30 Prozent ausreichend hervorgehoben worden“, meint Mädge. Der Lüneburger OB verweist auf seinen Haushalt. Der Überschuss betrage ganze 150.000 Euro. Um die Forderungen zu bezahlen, müsste Mädge 1,8 Millionen Euro aus der Stadtkasse umschichten und die Beiträge der Eltern erhöhen.

In den Tarifstreit hatte sich vor zwei Wochen auch Mädges Parteifreund Sigmar Gabriel eingeschaltet. Er hatte sich hinter die Forderungen gestellt: Der Streik biete die Gelegenheit, endlich ernst zu machen mit der anständigen Bezahlung in traditionellen Frauenberufen. Der Sigmar solle sich da lieber raushalten, meint Mädge. „Ansonsten soll die Bundespolitik sagen: Wir übernehmen die Kosten.“ Doch Bundespolitiker werden am Montagabend im Hotel Steigenberger nicht erwartet, und die Verhandlungen zwischen Kommunen und Gewerkschaftlern könnten noch länger dauern.