Gute Zeiten, schlechte Zeiten

MIETEN Der Wohnungsmarkt ist angespannt. Große Nachfrage verheißt auch große Gewinnspannen. Für die Vermieter. Regeln zu schaffen, dass die Mieter nicht immer mehr zahlen müssen, ist längst eine der Schlüsselfragen der Politik – helfen soll nun die Mietpreisbremse

VON UWE RADA

Gute Zeiten für Mieterinnen und Mieter in Berlin. Am 1. Juni tritt in allen zwölf Berliner Bezirken die Mietpreisbremse in Kraft. Bei Wiedervermietung darf die Miete nur noch zehn Prozent über der sogenannten ortsüblichen Vergleichsmiete liegen, die in Berlin der Mietspiegel definiert. Bislang gab es bei Wiedervermietungen keine Kappungsgrenze, entsprechend hoch waren die Preissteigerungen. Allerdings gibt es auch zahlreiche Ausnahmen bei der Bremse.

Dass die Mietpreisbremse der schwarz-roten Bundesregierung in Berlin sofort in Kraft tritt, liegt an der Rechtsverordnung, die der Senat vorbereitet hat. Damit wird nachgewiesen, dass in ganz Berlin ein angespannter Wohnungsmarkt herrscht. Die Mieter in anderen Bundesländern müssen dagegen auf die Mietpreisbremse warten. Selbst im rot-grün regierten Hamburg wird sie zunächst nicht eingeführt. Der Grund: Die Hausbesitzervereinigung Haus und Grund drohte dem Ersten Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) mit der Aufkündigung des Bündnisses für Wohnen. In diesem Bündnis verpflichten sich Eigentümer und Politik, den Wohnungsneubau in der Hansestadt voranzutreiben.

Schlechte Zeiten für die Mieterinnen und Mieter in Berlin. Mit der Einführung der Mietpreisbremse wächst auch der Druck auf die Mietspiegel. Der Berliner Mieterverein rechnet mit einer Fülle von Klagen gegen den soeben vorgestellten Berliner Mietspiegel 2015, der auch die Grundlage für die Mietpreisbremse bildet. „Viele Vermieter wollen nicht verstehen, dass sie nun bei Neuvermietungen an eine ortsübliche Vergleichsmiete gebunden sind, obwohl sie vorher deutlich mehr verlangen konnten“, sagte Mietervereins-Chef Reiner Wild der taz. Sollte der Mietspiegel am Ende höchstrichterlich kassiert werden, sei dies ein „Super-GAU“.

Noch eine schlechte Nachricht. Aus Angst, eine Wohnung eventuell nicht zu bekommen, werden Wohnungssuchende auch künftig bereit sein, eine überteuerte Miete zu bezahlen. Denn wer einen Mietvertrag unterschreibt und die Miete im Anschluss senken will, muss den Vermieter rügen und gegebenenfalls vor Gericht ziehen. „Gerade wenn man ein neues Mietverhältnis abgeschlossen hat, sind Mieter eher skeptisch, gleich einen Zwist mit dem Vermieter zu beginnen“, so Wild. Ein Befund, der auch von Beobachtungen bestätigt wird, die unsere Reporterin Nina Apin gemacht hat.

Gute Nachrichten für Berlins Mieterinnen und Mieter. Die Initiatoren des sogenannten Mietenvolksentscheids haben bereits 30.000 Unterschriften gesammelt. Nötig wären 20.000 Unterschriften gewesen. Nun muss sich das Parlament mit den weitreichenden Forderungen beschäftigen, zu denen mehr preisgünstiger Neubau, mehr Kontrolle bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften und Mietpreisbegrenzungen bei Sozialwohnungen gehören.

Zwei gute, zwei schlechte Nachrichten vom neuen Berliner Mieterkampf, der an Schärfe noch zunehmen wird.

„Endspurt im Mieterkampf“ und Interview mit Reiner Wild vom Mieterverein SEITE 44,45