Aktivisten stoppen Abschiebung

ASYL 100 Demonstranten versperren den Zugang zur Wohnung einer Flüchtlingsfamilie aus „Serbien-Montenegro“ und verhindern so ihre Abschiebung. Friedliche Blockaden häufen sich in Niedersachsen

Erneut haben Aktivisten in Göttingen eine Abschiebung verhindert. Rund 100 Unterstützer der betroffenen Familie hatten sich am frühen Donnerstagmorgen vor deren Wohnung in der Göttinger Weststadt versammelt. Auf dem Bürgersteig spannten sie Transparente auf. „Kein Mensch ist illegal“, stand in mehreren Sprachen auf einem, „Nicht das Mittelmeer tötet, sondern die Bundesrepublik“, hieß es auf einem anderen. Zwei von der Landesaufnahmebehörde geschickte Transporter hätten angesichts der Menge „unverrichteter Dinge“ wieder abziehen müssen, berichtete die Initiative „Abschiebungen stoppen“.

Die sechsköpfige Familie stammt nach Angaben der Initiative aus „Serbien-Montenegro“. Weil die Eltern der vier Kinder zunächst in Frankreich einen Asylantrag gestellt hatten, sollte die Abschiebung aufgrund der sogenannten Dublin-Verordnungen dorthin erfolgen. Wohl auch wegen der angedrohten Ausweisung sei der Familienvater zuletzt psychisch schwer erkrankt und in einer Klinik behandelt worden, sagen Freunde der Familie.

Die Behörde „storniert“ die Maßnahme

Die Maßnahme zur „Rückführung“ sei bereits gegen 7.30 Uhr von der federführenden Landesaufnahmebehörde „storniert“ worden, bestätigte am Mittag die Polizei. Sie sprach von einer Gruppe von „etwa 50 Personen“, die sich „teils auf dem Gehweg und teils auf der Straße“ aufgehalten und „themenbezogene Transparente“ gezeigt habe. Den Beamten zufolge war die Familie allerdings ursprünglich im Kosovo beheimatet, bevor sie über Frankreich in die Bundesrepublik gelangte.

Die Blockierer werten ihre Aktion als Erfolg. „Es ist richtig, dass die Familie hier bleibt“, sagte eine Aktivistin. „Wir werden uns auch weiterhin für ihren Aufenthalt einsetzen.“ Die Grüne Jugend Göttingen begrüßte ebenfalls das „breit getragene zivilgesellschaftliche Engagement“. „Göttingen bleibt einmal mehr abschiebefreie Zone“, so ein Sprecher, der gleichzeitig dazu aufrief, auch künftig Abschiebungen zu blockieren.

Zuletzt hatten in Göttingen im November etwa 120 Demonstranten die Ausweisung einer somalischen Familie verhindert. Sie blockierten den Eingang eines Mehrfamilienhauses mit einem Pkw und warteten mit Transparenten auf die zuständigen Beamten. Die Mitarbeiter der Landesaufnahmebehörde, die für den Transport zum Flughafen verantwortlich sind, erschienen daraufhin nicht. Es war im vergangenen Jahr in Göttingen bereits die dritte Abschiebung, die durch eine Blockade gestoppt werden konnte.

Zurückhaltende Beamte

Im April 2014 war die Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) der Göttinger Polizei gewaltsam gegen Unterstützer eines Flüchtlings vorgegangen. Mehrere Beteiligte erlitten Verletzungen.

Das Vorgehen der Einheit wurde später im Landtag kritisch diskutiert, Innenminister Boris Pistorius (SPD) sicherte ihr bei einem Besuch in Göttingen allerdings seine Unterstützung zu. Allerdings hält sich die Polizei seitdem bei solchen Aktionen zurück. Auch gestern blieben die Beamten im Hintergrund und beschränkten sich auf die Verkehrsregelung.  REIMAR PAUL