AMERICAN PIE
: Spucken für mehr Sicherheit

BASEBALL Die Profis schmieren gern heimlich den Ball ein. Nach der Sperre von zwei Pitchern fordern einige die legale Einheitspflege

Die Bälle wurden ausgiebig im Dreck gerollt oder hingebungsvoll mit Speichel getränkt

Die einen probieren es mit Sonnencreme. Die anderen bevorzugen Baumharz. Manche machen es mit Teer. Erde wird auch gern genommen. Vaseline oder auch Spucke. Beliebt sind auch Kombinationen aus verschiedenen dieser Substanzen. Baseballspieler sind fantasievoll, wenn es darum geht, sich einen Vorteil zu verschaffen. Man darf sich nur nicht erwischen lassen.

So wie Will Smith und Brian Matusz. Smith, Pitcher der Milwaukee Brewers, wurde am vergangenen Freitag für acht Spiele gesperrt, weil der Schiedsrichter „eine fremde Substanz“ auf seinem Unterarm festgestellt hatte. Dieselbe Strafe ereilte am Montag den Kollegen Matusz von den Baltimore Orioles. Beide Profis haben Einspruch eingelegt gegen ihre Suspendierungen. Bis über die Angelegenheiten endgültig entschieden ist, dürfen Smith und Matusz erst einmal weiterspielen.

Was die Pitcher verbrochen haben? Ihnen wird unterstellt, das Spielgerät manipuliert zu haben. Das ist beliebt im Baseball. Mit Teer oder Harz soll der Ball, nur siebeneinhalb Zentimeter im Durchmesser, griffiger werden. Die Pitcher schmieren sich die klebrigen Substanzen auf den Arm oder in den Fanghandschuh, um dem Ball beim Wurf mehr Rotation zu geben.

Manipulationen am Spielgerät gibt es natürlich auch in anderen Sportarten. Seit Monaten beherrscht „Deflategate“ die Schlagzeilen in den USA: Tom Brady, viermaliger Super-Bowl-Sieger mit den New England Patriots, wurde dafür gesperrt, dass er vermutlich den Zeugwart anwies, Luft aus den Footbällen zu lassen, um sie besser greifen und werfen zu können.

Aber in keiner Sportart hat das Herumdoktern am Ball eine so lange Tradition wie im Baseball. Erste Berichte von Pitchern, die versuchten, den Ball in ihrem Sinne zu frisieren, stammen bereits aus der Frühzeit des professionellen Baseballs in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Bälle wurden ins Wasser gelegt, ausgiebig im Dreck gerollt oder hingebungsvoll mit dem eigenen Speichel getränkt. Am liebsten einseitig, so dass sie aufgrund der Unwucht unvorhergesehene Flugeigenschaften entwickelten. Die vom mit Kautabak in Gang gesetzten Speichelfluss dunkel gefärbten Bälle waren zudem für die Hitter schlechter zu sehen.

Die verschiedenen Methoden wurden unter dem Namen „Spitball“ zusammengefasst. Richtig populär wurde der „Spuckball“ Anfang des 20. Jahrhunderts. Ein gewisser Ed Walsh perfektionierte das Einschleimen des Baseballs derart, dass er zu einem der erfolgreichsten Pitcher wurde. Sam Crawford, der in den nuller und zehner Jahren gegen Walsh antreten musste, erinnerte sich in einem Interview später an den Effekt, den die Speichelbehandlung auf den Ball hatte: „Der Ball zerfiel während des Wurfs und der Catcher musste ihn wieder zusammensetzen. Ich schwöre, wenn man den Ball schlagen wollte, kam nur noch Spucke vorbeigeflogen.“

1919 dann wurde der Spitball verboten, allerdings nicht aus hygienischen, sondern aus kommerziellen Gründen. Die Offensive sollte gestärkt werden, um mehr Zuschauer ins Stadion zu locken. Ein weißer, nicht manipulierter Ball war mit einem Holzschläger leichter zu treffen und sorgte für mehr Punkte. Ausgenommen vom Verbot wurden 17 Pitcher: Sie durften bis zum Ende ihrer Karriere weiter nach Herzenslust den Ball einschleimen.

Nun, nach den Sperren von Smith und Matusz, hat eine Diskussion eingesetzt, den Pitchern doch zumindest zu erlauben, eine vorab geprüfte Substanz zu benutzen, um die Griffigkeit des Baseballs zu erhöhen. Das Argument: Es macht eh jeder. Und außerdem erhöht es die Sicherheit. Vor allem an kalten Abenden ist das Risiko groß, dass ein Pitcher, weil er den Ball nicht gut greifen kann, die Kontrolle über seinen Wurf verliert. Und kein Batter kann ein Interesse daran haben, von einem 160 Kilometer schnellen Baseball versehentlich am Kopf getroffen zu werden. Das bisschen Spucke wäre tatsächlich leichter zu verkraften.

THOMAS WINKLER