Waffenstillstand vorbei: Kippt der Friedensprozess?

KOLUMBIEN Die Farc-Guerilla beendet ihre über zweijährige Waffenruhe nach Angriffen der Armee

Die Eskalation begann mit einem Angriff der Farc auf eine Militäreinheit Mitte April

VON JÜRGEN VOGT

BUENOS AIRES taz | Kolumbiens Farc-Guerilla hat ihren einseitigen Waffenstillstand beendet. „Die Aufhebung des am 20. Dezember 2014 verkündeten einseitigen und unbefristeten Waffenstillstands war von uns nicht vorgesehen. Aber die Inkohärenz der Regierung Santos hat es geschafft“, so die Farc in ihrer Stellungnahme am Freitag. „Wir sind vorbereitet“, reagierte Kolumbiens Präsident knapp. Beide Seiten machen sich gegenseitig dafür verantwortlich.

Kolumbiens Regierung und die Farc führen seit November 2012 in Kubas Hauptstadt Havanna Friedensgespräche. Ziel ist es, den seit über 50 Jahren andauernden Bürgerkrieg zu beenden, der über 200.000 Tote gefordert hat. Präsident Juan Manuel Santos hatte vor Beginn der Verhandlungen angekündigt, militärische Operationen würden bis zum Abschluss der Verhandlungen weitergehen. Dagegen hatte die Guerilla wiederholt einen einseitigen Waffenstillstand verkündet und auch weitgehend eingehalten.

Dass nach dem Ende des Waffenstillstands jetzt auch die Friedensgespräche abgebrochen werden, steht nicht zu erwarten. Offen ist jedoch, welchen Auswirkungen das Wiederaufflammen der bewaffneten Auseinandersetzungen haben wird. Unter einer weiteren militärischen Eskalation wird vor allem die ländliche Bevölkerung leiden. Santos drängt die Farc zu einer schnelleren Gangart: „Wir brauchen Fortschritte, denn die kolumbianische Bevölkerung hat eine endliche Geduld, keine unendliche“, so der Präsident am Samstag. Santos selbst kämpft mit sinkenden Zustimmungswerten in der Bevölkerung, von der zudem ein ständig schrumpfender Anteil an ein Friedensabkommen glaubt.

Gab es in den Anfangsmonaten regelmäßig Erfolgsmeldungen über den Fortgang der Verhandlungen – zuletzt die vereinbarte Zusammenarbeit von Militär und Guerilla bei der Beseitigung der Antipersonenminen –, so kommen die Gespräche seit rund einem Jahr nicht mehr voran. Strittig ist die Frage nach Umgang und Entschädigung der Opfer sowie der juristischen Aufarbeitung der Aktionen von Angehörigen beider Kriegsparteien. Konkret geht es um Strafen und Strafmaß für die führenden Köpfe auf beiden Seiten, sollten diesen Kriegsverbrechen nachgewiesen werden, weiter um den Umgang mit den Kindersoldaten der Farc sowie die mögliche Beteiligung der Guerilla an der Politik nach einem Friedensabkommen.

Die militärische Eskalation begann mit einem Angriff der Farc auf eine Militäreinheit Mitte April, bei der 11 Soldaten getötet wurden. Die Soldaten hatten vor dem strömenden Regen in einer Sporthalle Unterstand gefunden und wurden unerwartet angegriffen. Der Vorfall sorgte landesweit für Entsetzen und war Wasser auf die Mühlen der Friedensgesprächsgegner. Als Reaktion hob Präsident Santos die von ihm Anfang März angeordnete Einstellung der Luftangriffe auf die Guerilla wieder auf.

Vergangene Woche wurden größere Einsätze gegen Stellungen und Lager der Farc geflogen. Am Donnerstag kamen nach Angaben der kolumbianischen Luftwaffe bei einem Angriff in der Provinz Cauca 26 Guerilleros ums Leben. Dieser Angriff war ausschlaggebend für die Aufhebung des Waffenstillstands durch die Farc. Bei einem weiteren Luftangriff am Samstag in der Provinz Antioquia starben 7 Rebellen. Am Sonntag wurden bei einem Feuergefecht in der Provinz Caquetá eine führendes Mitglied der Farc sowie zwei Zivilisten getötet.