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Nach Marokko und zurück

GLOBALISIERUNG Die meisten Krabben aus der Nordsee werden nicht vor Ort geschält, sondern zu diesem Zweck aufwendig in Billiglohnländer ausgeführt – nur um danach wieder importiert zu werden

Auch taz-LeserInnen essen vermutlich gerne Krabbenbrötchen. Doch bis die kleinen Garnelen auf unserem Tisch landen, müssen sie eine lange Logistikkette durchlaufen. Die beginnt mit dem Einholen der Netze an Bord der Kutter. Anschließend werden die Krabben in Meerwasser gekocht, im Kühlraum gelagert und nach spätestens 72 Stunden angelandet.

Dirk Sander aus Nessmersiel und seine Kollegen in der Erzeugergemeinschaft der Deutschen Krabbenfischer steuern einen der zwei Dutzend Fischereihäfen an der Nordseeküste an. „Die Fänge werden auf unsere Kühltransporter verladen und zu den Siebstellen in Cuxhaven, Neuharlingersiel oder Büsum gebracht.“ Dort werden sie nach Größe- und Frischeklassen sortiert – und an Großhändler abgegeben.

Abnehmer sind vor allem die niederländischen Fischgroßhändler Klaas Puul und Heiploeg, die etwa 80 Prozent des Marktes beherrschen. Sie karren die Krabben in Lkw größtenteils nach Marokko. Dort „pulen“ überwiegend Frauen die Krebse. Per Hand. Ohne Panzer treten die Leckereien dann in einer Konservierungslake die Rückreise nach Deutschland an. Ein kleinerer Teil der Massenware wird seit einigen Jahren auch in der Nähe der holländischen Stadt Groningen maschinell gepult – Frischware für Fischläden nahe der holländischen Grenze.

Die halbe Weltreise der meisten Krabben ist keine reine Frage der Ökonomie. Für das Ende der „Heimentschälung“ hätten in Deutschland schärfere Hygienebestimmungen gesorgt, erklärt Claus Ubl vom Deutschen Fischerei-Verband. Bis in die 1990er-Jahre war Krabbenpulen ein Nebenjob für Hausfrauen. Doch nicht das Vonhandpulen stand am Pranger, sondern die Rahmenbedingungen: Die Hygienebestimmungen in der Fischerei seien vor allem für Großbetriebe ausgelegt, meinen Kritiker. Die Krabbenfischer hätten nun voll geflieste Arbeitsräume bauen und eine ganze Menge Bestimmungen einhalten müssen. Ubl: „Für die wenigen Kilo, die am Tag gepult wurden, war das nicht mehr wirtschaftlich rentabel.“

Statt zu investieren, entschlossen sich die Fischer, die Logistik den holländischen Großabnehmern zu überlassen. Seither kämpfen die Fischer um höhere Preise. Sogar per Streik. 2013 flog ein Kartell der Großhändler auf. Die Europäische Union verhängte Geldbußen von insgesamt 28,7 Millionen Euro gegen vier Händler.

Die Internationalisierung des Krabbenpulens sieht man nicht überall negativ: Hiesige Fischereiökonomen verweisen auf aberhunderte, vergleichsweise gut bezahlte Jobs in Marokko und eine günstige CO2-Bilanz: Früher fuhren viele kleine Lastautos von Haus zu Haus, heute ein großer Lkw nach Marokko. Andererseits verlieren die Krabben an Frische und müssen für die lange Autofahrt präpariert werden.

Einen kürzeren Weg suchten Büsumer Fischer. Das Fischgeschäft Möller hat seine Pulmaschine inzwischen jedoch stillgelegt. „Die Maschine war nie ausgereift“, sagt Geschäftsführer Christian Freitag. Ständig musste ein Techniker nachjustieren, die Krabben mussten nachsortiert werden. Freitag lässt seine „Porren“ nun in Polen pulen. Das sei zwar teurer als in Marokko – „Doch die Qualität ist höher und die Konservierung schonender. Das schmeckt man.“

Auf eine weitere Möglichkeit verweist Ralf Döring vom Hamburger Institut für Seefischerei: „Kaufen Sie nur ungepulte Krabben“, so sein Tipp. Für das leckere Fischbrötchen bedarf es dann eben noch ein wenig Handarbeit.  HERMANNUS PFEIFFER

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