Gesang und Gamelan

KAMMERPOP Geloopte Stimme: Die New Yorker Musikerin Gabrielle Herbst begeisterte im Acud mit ihrem Projekt Gabi

Eigentlich kommt es im Pop ja nicht darauf an, dass man musikalische Dinge besonders gut beherrscht – im technischen Sinne. Die Geste und der ganze Kontext aus Inszenierung und weiteren außermusikalischen Bezügen sind in der Regel wichtiger als virtuoses Instrumentalspiel oder makellos intonierte Vokalkunst. Akademisch ausgebildeten Musikern eilt sogar der Ruf voraus, von Pop und dem, worauf es dabei ankommt, herzlich wenig zu verstehen.

Die New Yorkerin Gabrielle Herbst hat sowohl Gesang als auch Komposition studiert. Dass sie ihre Kenntnisse mit ihrem Projekt Gabi jetzt für Popsongs nutzt, schadet ihr jedoch kein bisschen: Ihre luftige Kammermusik, die aus wenig mehr als ihrer geloopten Stimme zu bestehen scheint, behutsam in Schichten übereinandergelegt, profitiert eindeutig davon, dass Herbst ihre Fähigkeiten gezielt einsetzt, wie man bei ihrem Berliner Konzertdebüt im Acud am Donnerstag erleben konnte.

Hell, fast glockenhell, singt sie, ohne Vibrato oder andere aus der klassischen Musik vertraute Zugaben, die mitunter etwas aufdringlich Pompöses haben können. Töne sind ihr genauso wichtig wie Atemgeräusche, wie zur Erinnerung daran, dass da kein Engel im weißen Gewand auf der Bühne steht, sondern ein Mensch mit Körper und Lunge. Ihre Texte erzählen weniger, als dass die Zeilen als Mantras wiederholt werden. So beschränkt sich der Song „Koo Koo“, mit dem Gabi Ihr Konzert eröffnete, auf gerade einmal zehn Wörter: „I wait for you / In the fall / I want you“. An anderer Stelle werden die Botschaften rätselhafter. So klingt die Zeile „Stardust is watching your shoes“ aus „Mud“ fast schon unfreiwillig komisch.

Kindheit in Indonesien

Die Musik von Gabi hat an manchen Stellen etwas Vertrautes, man könnte Musikerinnen wie Kate Bush oder Björk als Vergleichsgrößen heranziehen, andererseits bekommt die außerweltliche Melancholie bei Gabrielle Herbst eine konzeptuelle Strenge, die man so noch nicht gehört hat. Neben Herbst spielt der Komponist Aaron Roche eine – unverzerrte – Gitarre, der Schlagzeuger Matthew O’Koren steuerte Vibrafontöne bei.

Die leicht gespenstische Wirkung dieser eher ungewöhnlichen Zusammenstellung von Klangfarben – auf ihrem vor kurzem auf dem Label Software erschienenen Debütalbum „Sympathy“ kommen Streicher, Posaune und elektronische Effekte von Labelchef Daniel Lopatin hinzu – lässt sich zurückführen auf Herbsts Kindheit in Indonesien. Dort beschäftigte sich die 1986 geborene Musikerin schon früh mit balinesischem Tanz und Gamelan. Die Schläge des Vibrafons erinnern ein wenig an Gamelan-Gongs, und Herbsts wallendes Gewand wirkt vor diesem Hintergrund gleich viel weniger esoterisch, sondern wie ein bewusst gewähltes Zitat.

Unabhängig von ihrer elfenhaften Bühnenpräsenz trägt Gabrielle Herbst den Abend vor allem mit ihrer Stimme. Ihre Begleiter nehmen sich vorbildlich zurück, tun nicht mehr als nötig, das dafür mit größter Sicherheit. Herbsts lakonischer, manchmal ins dezent Klagende gleitender Ausdruck und ihre präzise aufgebauten Songs genügen, um für wachsende Begeisterung unter den Anwesenden zu sorgen. Das Berliner Publikum ist bei Veranstaltungen dieser Art ja nicht unbedingt für Überschwang bekannt. Hier wird der Jubel mit jeder Nummer größer. Zu Recht.

TIM CASPAR BOEHME