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Archiv-Artikel

Der seltsame Tod des Jeremiah Duggan

ANTISEMITISMUS Im Jahr 2003 starb ein jüdischer Student bei Wiesbaden. Die deutsche Polizei glaubt an Selbstmord. Jetzt rollte ein britisches Gericht den Fall neu auf. Trieb ihn die LaRouche-Sekte in den Tod?

Dass Duggan Jude war, wurde ihm zum Verhängnis, glaubt seine Mutter

AUS LONDON DANIEL ZYLBERSZTAJN

Hugo Duggan ist sich klar, was er erreichen möchte. „Ich bin weder verbittert noch versessen. Jeremiah ist lange tot. Aber ich will, dass Eltern und junge Menschen vor den Gefahren der LaRouche-Bewegung gewarnt werden.“ Es ist Mittagspause an einem schönen Sonnentag im Garten der Gerichtsmedizin im Londoner Stadtteil Barnet. Hier wird gerade über den Todesfall Jeremiah Duggan verhandelt, seine Eltern Hugo und Erica Duggan sind ebenso dort wie Eltern, die ihre Kinder an den Politkult der LaRouche-Sekte verloren haben.

Am 27. März 2003 soll Jeremiah Duggan, ein in Paris studierender Brite, auf der Bundesstraße B 455 bei Wiesbaden Selbstmord begangen haben. Das glaubt zumindest die deutsche Kripo. Für sie war der Tod des 22-jährigen Duggan ein klarer Fall von Selbstmord. Der Tote sei absichtlich in die Autos gelaufen. Hugo Duggan hält das für eine absichtliche Verfälschung der Sachlage. Auch die Mutter zweifelte daran. Kurz vor seinem Tod habe Jeremiah sie angerufen. „Ich stecke in großen Schwierigkeiten“, soll er gesagt haben. Es hätte etwas mit der Gruppe zu tun, deren Konferenz er besuchte. Und dann, so Erica Duggan, habe er mit panischer Stimme gesagt: „Ich habe Angst, ich will, dass du hier bist.“ Der Anruf brach zweimal ab. Es war das letzte Mal, dass die Mutter seine Stimme hörte. Vorher hatte er bereits seine Freundin verständigt. Beide kontaktieren die Polizei. Doch Jeremiah ist 45 Minuten nach dem letzten Anruf tot.

Als Duggan an der Sorbonne studierte, lernte er dort ein Mitglied der LaRouche-Bewegung in Frankreich (dort unter dem Namen „Solidarität und Fortschritt“ aktiv) kennen. Sie reden über Politik, 9/11 und den möglichen Krieg gegen Irak. „Nein, es ist kein Kult“, berichtet er der Mutter, „die lesen Plato.“

Tatsächlich gilt die LaRouche-Bewegung als Politsekte mit Führerkult um den heute 93-jährigen Amerikaner Lyndon LaRouche und seine deutsche Frau Helga Zepp-LaRouche. Sie leitet in Deutschland die BüSo-Partei. Die Mitglieder würden von ihrem sozialen Umfeld isoliert, bis sie an viele ihrer Verschwörungstheorien glauben, sagt die Französin Katherine Pascal, die sich mit der Sekte befasst. Gern schiebe sie auch die Schuld für viele Missstände auf Juden. All das mag Duggan nicht bekannt gewesen sein. Wochen nach Kennenlernen der Sekte reiste Duggan zu einer Konferenz nach Wiesbaden. Dass er Jude war und in Debatten dies nicht verheimlichte, wurde ihm zum Verhängnis, glaubt seine Mutter.

In Deutschland erreichten die beiden Duggan-Eltern inzwischen eine sogenannte Ermittlungserzwingung. Das Oberlandesgericht Frankfurt forderte die Staatsanwaltschaft auf, erneut zu ermitteln, ohne dass sich seitdem viel getan hätte.

Ganz im Gegensatz zu Großbritannien. Experten stellten in der Londoner Verhandlung die deutsche Sicht auf den Fall infrage. Weder seien die Kopfwunden Jeremiah Duggans konsistent mit Verkehrsunfällen und dem Aufprallen gegen Autos, noch habe er einen sofortigen Tod, wie es bei einem starken Aufprall zu erwarten sei, erlitten. Andere Wunden lassen vermuten, dass sich das Opfer wehrte. Auch die beiden Autos, gegen die Duggan angeblich geprallt war, hätten keine Spuren, die auf einen Aufprall mit einem Menschen schließen ließen. Es fehlten Blut am Wagen, auf der Straße, sowie Glasspuren am Opfer. Stattdessen stellte ein Gerichtsmediziner Sand fest, der nicht von der Straße kam, was auf ein Vorgeschehen an einem anderen Ort hindeuten könnte.

Der britisch-jüdische Dachverband Board of Deputies forderte nach der Anhörung, dass sich die Bundesregierung mit der Angelegenheit beschäftigt.