Klischees hinter Gittern

STRAFE Die neue ZDFneo-Comedyserie spielt in einer TV-bewährten Umgebung – „Im Knast“. Und da wäre mal wieder mehr drin gewesen (donnerstags, 22.45 Uhr)

Man spürt das Bedürfnis, den bräsigen Muff der öffentlich-rechtlichen Serienproduktionen abzuschütteln

VON JENS MAYER

Es schien eigentlich immer eine gute Idee zu sein, in den Knast zu gehen. Zumindest wenn man als Sender vorhatte, in Zukunft Fernsehgeschichte zu schreiben.

1997 produzierte der US-Bezahltsender HBO seine erste eigene TV-Serie. Der erfahrene Fernsehautor Tom Fontana konnte sich darin erstmals richtig austoben, denn die Senderverantwortlichen boten ihm die Möglichkeit, endlich einmal das umzusetzen, was er schon immer im Fernsehen hatte ausprobieren wollen. Für den Pay-TV-Sender war es uninteressant, den frei empfangbaren Erfolgsshows der Networksender nachzueifern, vielmehr bot er seinen Zuschauern mit „Oz“ ein Stück Fernsehgeschichte, das sich von den formatierten und für Werbeslots optimierten Sendungen der anderen abhob. Fontana zeigte mit seinen düsteren und brutalen Geschichten aus dem Alltag des Hochsicherheitsgefängnisses dann auch gar kein Interesse daran, sich bei irgendwem anzubiedern, vielmehr wollte er den tatsächlichen Bedingungen so nah wie nur möglich kommen, setzte auf harten Realismus und ambivalente Charaktere.

„Oz“ mag kein immenser Quotenerfolg gewesen sein, doch ebnete es bei HBO den Weg für Nachfolger wie „Die Sopranos“, „Sex And The City“ oder „The Wire“, die von den künstlerischen Freiheiten und den Standards der Gefängnisserie profitierten. Damit läutete Fontanas Pionierserie eine Ära ein, in der HBO zum Sender wurde, der das episodische Geschichtenerzählen für immer veränderte.

Von „OINT“ zu „Im Knast“

Auch der derzeit größte Konkurrent von HBO hat sich dessen Erfolgsrezept genau abgeschaut und für die eigenen Zwecke optimiert. Ebenso hat die Video-on-Demand-Plattform Netflix mit „Orange Is the New Black“ eine eigenproduzierte Serie im Angebot, die im Gefängnis spielt. In diesem Fall ein Frauengefängnis, in dem die recht biedere Hauptfigur Piper Chapman aufgrund einer unüberlegten Jugendsünde 15 Monate absitzen muss.

Was „OINT“ zu einer der besten Serien der Gegenwart macht, ist das riesige Charakterensemble der Frauenfiguren, das Serienschöpferin Jenji Kohan darin versammelt, ein mikrokosmisches Abbild der modernen Gesellschaft mit all ihren Konflikten und Gegensätzen.

Dass ZDFneo mit „Im Knast“ nun eine sechsteilige Comedyserie präsentiert, die hinter den Gittern einer JVA angesiedelt ist, muss also nichts Schlechtes bedeuten. Ein bisschen fantasielos wirkt es dennoch, schließlich hat sich der Sender, der sich seit einiger Zeit sichtlich darum bemüht, dem TV-Serienboom mit Eigenproduktionen gerecht zu werden, bereits bei den Vorgängern „Lerchenberg“ und „Eichwald, MdB“ von international erfolgreichen Formaten inspirieren lassen. Ersteres spielte selbstreferentiell mit dem alltäglichen Fernsehwahnsinn wie „30 Rock“ und „Episodes“, Letzteres veralberte den Politzirkus wie „The Thick Of It“ oder „Veep“. Mit ihnen gemeinsam hat „Im Knast“ das sichtlich kleine Budget, talentierte Darsteller und das Bedürfnis, den bräsigen Muff der meisten öffentlich-rechtlichen Serienproduktionen abzuschütteln.

Leider verspielt „Im Knast“ – wie seine Vorgänger – dabei die Möglichkeit, es wirklich einmal anders zu machen. Statt origineller Charaktere werden die üblichen Klischees bemüht, von der verständnisvollen Gefängnispsychologin, dem „lustig sprechenden“ türkischen Einwanderersohn oder Ivan, dem mutterliebenden Anführer der „Russen-Gang“. Wirklich interessieren scheint sich „Im Knast“ weder für seine Figuren noch für ihre Geschichten. Schade, denn es ist halt nur eine gute Idee, in den TV-Knast zu gehen, wenn es sie auch wirklich gibt, die gute Idee.