MEIKE JANSENS BEERDIGUNG, GLOBAL MARIHUANA MARCH, FUSSBALLGUCKEN IM SCHMIDTS
: Wir stehen, rauchen und trinken ein bisschen Wodka auf dem Friedhof

VON DETLEF KUHLBRODT

Freitagmittag auf dem Alten St. Matthäus-Friedhof. Die Kollegin Meike Jansen wird beerdigt. Es sind sehr viele Leute da. In einem großen Kreis stehen die Leute um das Grab herum. Drei sitzen auf dem Boden und spielen Musik. Man fühlt sich befangen, weil alle Leute auf einen gucken, wenn man vor das Grab tritt. Wie man selber ja auch registriert, wie die anderen vor dem Grab stehen, ganz kurz nur, weil die Schlange der Freunde, Bekannte und Kollegen so lang ist. Ein einziger bekreuzigt sich, die Sonne scheint und tatsächlich sagt irgendwann jemand den leicht irren Satz, man sehe sich ja nur noch auf Beerdigungen.

Ich denke an die Beerdigungen von anderen taz-Kollegen, an die des taz-Hausmeisters Jens Heymer, Mitte der 90er Jahre und wie dann „I talk to the wind“ von King Crimson gespielt worden war, an die von Harald Fricke, an das 68er-Begräbnis von Christian Semler. Meike war eine Rock ’n’ Rollerin. Wir stehen, rauchen und trinken noch ein bisschen Wodka auf dem Friedhof.

Später in der Fahimi-Bar am Kotti, ein kleines Fest mit Blick auf die U-Bahn. Ich kenne nur wenige. „Für Meike“ steht am Tresen. Das Licht hier drinnen ist super. Das gelbe Bier und der Rauch und draußen die Sonne. Ich bin hungrig, esse Würste, denke an die Pornoflipperausstellung im WestGermany, die Meike vor Jahren kuratiert hatte, und wie wir einen Sonntagnachmittag an den Kunstflippern geflippert und gekifft hatten. Mit M. und dem Captain. Man unterhält sich, trinkt, raucht einen Minijoint und geht dann wieder, weil man keine Lust hat, abzustürzen.

Zuhause ist es arg verwahrlost. Statt wie geplant zur Lesung eines alten Freundes zu gehen, habe ich an diesem Abend ein Nice Lonely, höre eine alte Platte von 808 State auf dem 30 Jahre alten Plattenspieler, den ich neulich repariert hatte, kiffe, trinke Wasser und gehe am nächsten Tag zum „Global Marihuana March“. Es ist halb zwei; die Auftaktkundgebung an der Warschauer Brücke hat schon begonnen. Hans Cousto redet. Wir kennen uns seit 20 Jahren. Er kämpft seit 50 Jahren für die Legalisierung und hatte in den 90er den technonahen Drogenverein „eve & rave“ mitgegründet.

Die Rhetorik der Reden ist simpel, wie auf allen Politveranstaltungen. Diesmal geht es wohl darum, dass Merkel und Willy Brandt mehr Demokratie wagen wollten, aber die Cannabiskonsumenten weiter verfolgt werden und dass das offensichtlich ein Widerspruch ist. Ich höre nicht richtig zu, da mir die Thematik mit all ihren Verästelungen seit Langem bekannt ist. Ein Redner spricht tatsächlich irgendwann von den „Regierigen“. Vielleicht auch etwas billig, sich über die Rhetorik lustig zu machen.

Die ca. 800 Teilnehmer der Demo sind zwischen 18 und 65. In der ersten Reihe Leute auf Rollstühlen; Hanf als Medizin wird der Türöffner für die Legalisierung sein. Einer trägt ein Schild „Dealer für die Legalisierung“. Die Jugendorganisation der FDP, die Julis, fordern dagegen die Cannabislegalisierung, „damit der Dealer arbeitslos wird“. Ab und zu hallen witzige Slogans durch die Warschauer Straße wie „Cannabis im Altenheim – das ist gut, das haut rein“, irgendwo werden Tütchen mit Nutzhanfsamen verteilt.

Wir kaufen uns Zigaretten und Süßigkeiten. Ich spreche mit M. über die Legalisierungswerbeclips, die Georg Wurth, der Chef des deutschen Hanfverbandes, von der Million drehen ließ, die er bei einer Quizzsendung im Fernsehen gewonnen hatte. Die Clips kamen mir ein bisschen klischeehaft und spießig vor; M. schwärmt von der Clip-Premierenfeier im Kino International.

Fussballgucken im Schmidts; meine Mannschaft spielt schrecklich; später regnet es und das Ritzel vom Fahrrad geht entzwei.