2015 ist nicht das Jahr der Saudis

GEOPOLITIK Die autokratischen Herrscher am Golf beargwöhnen die Stärkung des Iran. Der US-Präsident verspricht Unterstützung. Das reicht ihnen nicht

VON KARIM El-GAWHARY

Wie komme ich mit dem Iran ins Geschäft ohne dessen Rivalen Saudi-Arabien und die Golfstaaten als Partner zu verlieren? Das ist das Gebot der Stunde amerikanischer Außenpolitik. Um die Staaten der Arabischen Halbinsel an Bord zu behalten, hat US-Präsident Barak Obama die autokratischen Könige, Emire und Sultane eingeladen, zwei Tage zurückgezogen in Camp David über die Rückkehr des Iran und die Folgen für den Golf zu debattieren. Die fürchten zu Recht, dass ein erstarkender Iran auf ihre Kosten mehr Einfluss gewinnt.

Nach den Gesprächen hat Obama am Donnerstagabend den Golfstaaten Unterstützung angeboten, um sich gegen Raketenangriffe, Angriffe auf See und auch gegen Cyberattacken verteidigen zu können. Doch was Obama auf einer anschließenden Pressekonferenz als „eiserne Verpflichtung“ bezeichnete, ist weit weniger als die Golfstaaten erhofft hatten. Sie hatten einen Sicherheitspakt mit den Vereinigten Staaten aushandeln wollen, ähnlich der US-Beistandsverpflichtung gegenüber Japan oder Südkorea.

Die ganze Veranstaltung stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Einige Golfstaaten, allen voran die Saudis, hatten die USA bereits vor Beginn der Gespräche brüskiert. Der König von Saudi-Arabien Salman ließ sich entschuldigen, er habe Wichtigeres zu tun. Der Krieg oder besser gesagt, die momentane saudische Feuerpause im Jemen, bedürfe als Chefsache seine Anwesenheit im eigenen Land. Stattdessen entsandte er seinen Kronprinzen. Auch sein royaler Kollege aus Bahrain weilte lieber auf einer Pferdeschau, als der Einladung des US-Präsidenten nach Camp David zu folgen. Weitere Sultane und Emire schickten aufgrund ihres Alters oder krankheitsbedingt Ersatz. Nur die Emire von Kuwait und von Katar kamen persönlich.

Es ist ein umfassender amerikanische Strategiewechsel, wenn Washingtons in der P5+1-Gruppe – also mit den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats und Deutschland mit dem Iran bis zum 30. Juni ein detailliertes Atomabkommen abschließt, nachdem man sich bereits auf die Eckpunkte eines Nukleardeal geeinigt hatte. Dazu kommt, dass Washington mit Teheran flirtet, als ein potentieller Partner im Kampf gegen den IS.

Das alles ist so gar nicht nach dem Geschmack der Golfstaaten, die in einem Erstarken ihres regionalen Rivalen Iran eine Bedrohung sehen. Obama hat in Camp David argumentiert, dass ein Nukleardeal das zivile iranische Atomprogramm transparenter mache und verhindere, dass der Iran in den nächsten 15 bis 20 Jahren Atomwaffen baue. Damit trage er auch zur Sicherheit der Golfstaaten bei. Die aber sind davon wenig überzeugt und haben immer wieder gedroht, eigene Atomprogramme aufzulegen. Der saudische Außenminister Adel al-Jubeir erklärte nach dem Treffen in Camp David, sein Land werde mit seinem Urteil warten, bis ein endgültiges Abkommen mit dem Iran geschlossen sei.

Das Jahr 2015 ist nicht das Jahr der Saudis. Die Rückkehr des Iran auf der internationalen politischen Landkarte ist nicht das einzige Problem Riads. Im Norden, im Irak, hat sich das Kalifat des Islamischen Staates festgesetzt und setzt dem wahhabitischen saudischen religiösen Establishment seine eigene noch erzkonservativere und militante Islaminterpretation entgegen, die durchaus auch in Saudi-Arabien ihre Anhänger findet.

Im Jemen, im Süden der Arabischen Halbinsel ist nach sieben Wochen saudischem Bombardement auch deutlich geworden, dass dieser Krieg nicht militärisch zu gewinnen ist. Dafür steht der Jemen, eines der ärmsten Länder der Welt vor dem Zusammenbruch. Hilfsorganisationen prophezeien eine humanitäre Katastrophe. Der internationale Druck diesen Krieg zu beenden und eine Verhandlungslösung zu finden, wird steigen. Dann muss sich der neue König intern fragen lassen, warum er diesen Krieg überhaupt begonnen hat. Dazu kommt ein niedriger Ölpreis, der dazu führt, das nicht mehr im ganzen Land Milch und Honig fließen.

Das ganze kommt in einer Zeit in der bei den Herrschern in Saudi-Arabien ein Generationenwechsel stattfindet. König Salman hat mit seinem Neffen Muhammad bin Naif einen neuen Kronprinz eingesetzt und seinen Sohn Muhammad zum Verteidigungsminister erkoren. Außenminister Prinz Faisal wurde nach 40 Jahren im Amt von Adel al-Jubeir ersetzt, einem Technokraten, der nicht aus dem Königshaus stammt.

Obama selbst hatte sich in einem Interview vor Kurzem sehr kritisch über die Führung der Golfstaaten geäußert. Deren größte Bedrohung sei nicht eine iranische Invasion, erklärte er, sondern wachsende interne Unruhe, mit einer Bevölkerung, die sich von den Herrschern entfremde, weil diese keine legitimen Kanäle für ihren Ärger zuließen.