FAHRRAD IN KETTEN
: Ich doch nicht

Ich senke den Kopf. Nee, denk ich, so blöd bin ich nicht

Sonne! Ich schwing mich aufs Rad, lasse Computer und Drucker hinter mir; ich will jetzt Sonne und echte Leute statt die auf Papier. Ich radele los, hin zu einer Freundin. Sie wohnt gleich über einem Café, und weil Café besser ist bei Sonne als Wohnung, gehen wir runter. Wir sitzen und quatschen, als sich auf einmal ein Typ zwischen den Tischen aufbaut. „Ist wer mit dem Rad da?“, fragt er.

Ich bin mit dem Rad da, gleich um die Ecke steht’s an ein Geländer gekettet, aber bevor ich das sage, will ich erst wissen, wieso er das fragt. Nicht, dass er’s sich borgen will oder so; darauf hätte ich grad keinen Bock. Ich will heute selber viel rumfahren damit, gleich nachdem mein Kuchen alle ist jedenfalls.

Aber er erklärt nicht, warum er das wissen will, er fragt nur noch mal. Fast verzweifelt klingt er: „Ist denn keiner mit dem Rad da?“ Und weil er so verzweifelt klingt, hebe ich dann doch schon halb die Hand, um mich zu melden, und auch meine Freundin stößt mich an: „Du. Oder nicht?“

„Jemand hat seins an meins angeschlossen. Und jetzt komm ich nicht weg“, erklärt der Typ und schaut noch mal in die Runde. Als er mich anblickt, senke ich den Kopf. Nee, denk ich, so blöd bin ich nicht, und das sag ich auch meiner Freundin: „Schon. Aber so blöd bin ich wohl nicht.“

So blöd bin ich anscheinend doch. Als wir kurz später mein Rad holen wollen, säbelt der Typ mit einem Taschenmesser an seinem Bremskabel rum. Dem Bremskabel, das ich mit meinem Schloss eingefangen habe aus Versehen. Kurz überlege ich, ihn weitersäbeln zu lassen und so zu tun, als ob ich mein Rad nicht kenne, aber meine Freundin kennt es und fängt an zu lachen.

Der Typ lacht nicht. „Du warst doch im Café vorhin!“, schimpft er, als ich mich neben ihn stelle, Schlüssel in der Hand. „Warum haste dich nicht gemeldet?“ „Tja“, sag ich. „Weil ich doch blöder bin, als ich denke. Tut mir echt leid.“JOEY JUSCHKA