Alles ist rosa

RADSPORT Beim Giro d’Italia hält sich das Team Astana von Mitfavorit Fabio Aru noch bedeckt. Dass der kasachische Rennstall überhaupt die Schleife durch Italien drehen darf, ist allerdings ein Unding

Gelobt wurde indes, dass Astana eine digitale Plattform für Trainingspläne einführt

Rosa sprudelte das Wasser aus den Brunnen von Sanremo. Der Riviera-Badeort hatte sich bis auf die letzten Details vorbereitet auf den Start der 98. Corsa Rosa, wie der Giro d’Italia hier liebevoll genannt wird. Viele Fans drücken dabei Fabio Aru, dem sardischen Klettertalent in Diensten des Rennstalls Astana, die Daumen. Aru, ein potenzieller Nachfolger von Toursieger Vincenzo Nibali, soll dessen Giro-Sieg von 2013 wiederholen. Aru ist wohl der einzige italienische Rennfahrer mit Aussichten auf einen Podiumsplatz.

Dass seine Mannschaft vom renommierten Institut für Sportwissenschaft der Universität Lausanne als „Hochrisiko-Truppe“ eingestuft wurde, tut dem Zuspruch keinen Abbruch. Die lange über Astana schwebende Drohung, mitten in der Saison die Lizenz zu verlieren, hat manchen Anhänger vielleicht sogar noch stärker an seine Idole geschweißt. Allerdings: Ein Team anzuhimmeln, bei dem sich in der letzten Saison im Profi- und im eher selten getesteten Nachwuchsbereich gleich fünf Fahrer beim Doping erwischen ließen, ist schon sehr schräg.

Fairerweise muss man aber zugestehen, dass all das, was von dem „Hochrisiko“-Papier der Schweizer bekannt wurde, recht wenig über wirkliche Dopinggefährdung aussagt. Es enthält vor allem schwammige Kritik am Kommunikationsstil. So wird bemängelt, dass das – großteils aus Italien stammende – Trainerpersonal kein Russisch spricht und deshalb die kasachischen Profis nicht gut betreuen könne. Die Gefahr, dass sich ein schlecht betreuter Profi auf eigene Faust nach Verbesserungsmethoden umschaut und dabei eben auch auf verbotene stößt, ist sicherlich nicht von der Hand zu weisen. Ein Beweis für Doping ist das allerdings nicht.

Im Bericht wird auch „Management alten Stils“ kritisiert, also dass Rennstallmanager Alexander Winokurow das Aufgebot für Rennen nicht anhand von aktuellen Trainingsdaten, sondern eher nach „Gefühl“ und „Intuition“ auswähle. Bedeutet das nun ein Dopingrisiko? Anstelle einer effektiven Dopingvorbeugung drängt sich der Eindruck auf, der Weltverband UCI wolle den alten hemdsärmligen Radsport in eine Unternehmensberater-kompatible Industrie überführen. Gelobt wurde indes, dass Astana eine digitale Plattform für Trainingspläne einführte; das war ein Argument für das Bestehen der Lizenz. Geht’s noch?

Beim Giro selbst verfolgt Astana eine Tarnkappenstrategie. Die Truppe legte beim Mannschaftszeitfahren zum Auftakt einen unauffälligen dritten Platz hin. Damit kommt sie nicht in die Verlegenheit, schon früh Arbeit fürs rosa Trikot verrichten zu müssen. Der Rückstand auf den mit einer starken Zeitfahrertruppe zum Giro gereisten Spanier Alberto Contador hielt sich mit sechs Sekunden im überschaubaren Bereich. Alle anderen Konkurrenten im Kampf um die Gesamtwertung hingegen wurden distanziert. Astana ist in Schlagdistanz, vermied aber Aufmerksamkeit. TOM MUSTROPH