LESERINNENBRIEFE
:

Fünf Jahre hinter der Zeit

■ betr.: „Zehn Jahre Holocaustmahnmal: Erinnerung und Eventkultur“, taz.de vom 6. 5. 15

Fehlt bloß, dass demnächst einer postet: „Seht her, wie eindrucksvoll wir Deutschen unsere Geschichte aufarbeiten“, schreibt Herr Rada.

Der Autor ist fünf Jahre hinter der Zeit! Zum fünfjährigen Bestehen formulierte der Historiker Eberhard Jäckel: „Wir können wieder aufrechtgehen, weil wir aufrichtig waren. Das ist der Sinn dieses Denkmals und das feiern wir.“ Anzuschauen bei „Entweder Broder“!!! PLEWKA JÜRGEN, taz.de

Den Asphalt vollschiffen

■ betr.: „Nachbereitung 1. Mai: Katerstimmung in Kreuzberg“, taz.de vom 3. 5. 15

Frau Herrmann liegt oft völlig daneben, aber diesmal spricht sie den meisten Kreuzbergern aus der Seele. Das ist kein Nachbarschaftsfest mehr, sondern genau wie der Karneval der Kulturen völlig überdimensioniert und aus dem Ruder gelaufen. Man kann diese Ansammlung von besoffenen unpolitischen Eventtouristen gerne vor die Haustür des Artikelschreibers verlegen.

Wer sagt denn, dass ein aus Kreuzberg verbanntes Großbesäufnis beziehungsweise Völlerei hier für Gewalt sorgt. Die ist seit Jahren rückläufig. Die alten Barrikadenbauer fahren lieber am Wochenende ins Umland in ihre Datsche oder den Garten, haben Kinder und sind ruhig geworden.

Was hier an Gewalt noch hochkocht, hat man gerade im letzten Jahr bei der Fasträumung der GHS gesehen. Das waren fast nur noch Kids aus Zehlendorf, die nach ihrem Sit-in heim zu Mutti fahren, und schaut man sich den Schwarzen Block genau an, erkennt man dieselben Milchgesichter die auch als Fußballultras rumlaufen.

Mittlerweise hat die Polizei solche Situationen dermaßen gekonnt im Griff, dass die kleine Anzahl echter Gewalttäter nur noch in Kleingruppen agieren kann. Wow, und das kostet dann mal eine Bushaltestelle die Scheibe.

Die letzten Hartgesottenen reisen am 1. Mai sowieso lieber nach Hamburg, wo die Chance auf Bambule mitunter größer ist. Ab auf’s Tempelhofer Feld, da können sie den Asphalt vollschiffen und es ist Platz genug. kuzorra, taz.de

Keine Geschlechterfrage

■ betr.: „Personalpolitik bei der Polizei: Umstrittene Rochade“, taz.de vom 4. 5. 15

Ob nun Frauen aufrücken oder Männer – die Problematiken der Berliner Polizei werden dadurch nicht geringer. Das Bewusstsein eines Polizisten hängt weniger vom Geschlecht als von politisch-sozialen Einstellungen ab.

So könnte jeder Karriereposten mit einer Frau besetzt sein und es würde trotzdem schlecht laufen. Außerdem müsste in Berlin dieser Schlüssel dann explizit Migrantenfrauen einschließen, und damit meine ich nicht nur Russlanddeutsche, sondern auch welche mit türkischem, kurdischem oder arabischem Migrationshintergrund. Andreas_2020, taz.de

Gerechte Bezahlung

■ betr.: „1. Mai: Die DGB-Demo: Bier, Bratwurst, Mindestlohn“, taz.de vom 1. 5. 15

„Es kann uns hier nicht auf Dauer gut gehen, wenn es den Menschen andernorts schlecht geht“, sagt Reiner Hoffmann, DGB-Vorsitzender seit einem Jahr, bei seiner Rede auf der Bühne vor dem Brandenburger Tor. Es müsse deshalb Arbeit nicht nur in Deutschland und Europa, sondern auch „im Rahmen der internationalen Lieferketten gerecht bezahlt“ werden. In der EU ist es durchsetzbar.

Die Angleichung des Mindestlohns hat auch die SPD auf der EU-Ebene vorgeschlagen.

Stefan Mustermann, taz.de

Denken ausgeschaltet

■ betr.: „Nahostkonflikt in Berlin: Zu große Koalition gegen Hamas“, taz.de vom 24. 4. 15

Ich musste mich schon ins Internet zum RBB bemühen, um herauszufinden, was sich heute im fernen Berlin, also dieser Kleinstadt in der Provinz, die Bundeshauptstadt geworden ist, zugetragen hatte. Ob die Zahl von 180 Teilnehmern an der Protestdemo nicht zu hoch gegriffen war, angesichts der dabei gelieferten Bilder?

Ein Kurzinterview mit einem Jan Stöß, der sich die Tage als gewiefter Kenner in der Bestimmung des Daseinszwecks einer Hamas darstellte, war der Hauptinhalt. „Zu große Koalition im Hass gegen eine Hamas“, dieser Titel wäre dennoch gerechtfertigter gewesen. Und wer hätte daran gezweifelt, dass eine solche „Gegendemonstration“ in den Niederlanden nicht auch von einem Geert Wilders begleitet worden wäre?

Der inquisitorische Eifer, mit dem dabei ein Dämon mit dem Namen „Hamas“ aufgebaut und verwendet wurde, obwohl diese offenbar selbst, auch nicht in Gestalt eines Dämons, dort als Veranstalter auszumachen war, somit nicht ausgetrieben werden konnte, zeichnet jene aus, die nicht nur das kritische, sondern das Denken schlechthin im Palästinakonflikt ausgeschaltet sehen wollen oder aber dem willig hinterherlaufen.

Die Unterzeichner des Aufrufs für diese „Gegendemonstration“ von „Berlin gegen Hamas“ haben sich trefflich geoutet.

Immerhin, die Geschehnisse im Osmanischen Reich und das Schicksal der Armenier von vor hundert Jahren standen dieser Tage auf der Tagesordnung, Aufarbeitung wurde gefordert, das wird hoffentlich Folgen für weit weniger zurückliegende Ereignisse haben, die auch dieser Palästinenserkongress angesprochen hat.

Tecumseh, taz.de