Synthetische Gefahr in bunten Tütchen

DROGEN In Nienburg starben drei Schüler fast an Legal Highs. Experten warnen vor den Substanzen

Sie werden als Badesalze, Lufterfrischer oder Kräutermischungen in Online-Shops angeboten und wirken mit Namen wie „King Kong“ oder „Devil Eye“ in glänzenden Verpackungen fast harmlos. Die Wirkung sogenannter Legal Highs kann aber gefährlich werden: Drei Berufsschüler unterschätzten in Nienburg die synthetischen Rauschmittel und wurden in lebensbedrohlichem Zustand ins Krankenhaus eingeliefert. Laut einem Bericht des NDR beobachteten Zeugen die 17- bis 19-Jährigen dabei, wie sie hilflos vor einem Supermarkt umhertaumelten. Mittlerweile hat sich ihr Zustand stabilisiert.

„Auch wenn diese Stoffe nicht verboten sind, kann es im Einzelfall zu lebensgefährlichen Situationen kommen, etwa durch eine falsche Dosierung“, sagt der Psychologe Tim Pfeiffer-Gerschel, Leiter der Deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (DBDD). Nach bisherigen Studien gebe es kaum Konsumenten von Legal Highs, tatsächlich seien aber Riesenmengen dieser Stoffe auf dem Markt. „Das ist ein lukratives Geschäft. Ein Tütchen kostet eine Menge Geld“, so Pfeiffer-Gerschel.

Als Antwort auf eine Anfrage der Linken erklärte die Bundesregierung, dass es 2014 in Deutschland 40 Fälle von Vergiftungen und sechs Todesfälle durch „Neue Psychoaktive Substanzen“ gab. Dabei geht es um künstlich hergestellte Wirkstoffe, bei denen die chemische Grundstruktur von Cannabis, Cathinone, Phenethylamine, Tryptamine oder Piperazine, so abgewandelt wurde, dass die Wirkung auf die Psyche erhalten bleibt oder noch verstärkt wird.

Über die genaue Zusammensetzung kann man sich auf der Homepage www.legal-high-inhaltsstoffe.de informieren. Die Seite des gemeinnützigen Vereins „Basis“ aus Frankfurt am Main will Nutzern, Eltern und Fachkräften helfen, die Substanzen besser einzuschätzen.

2004 tauchten Räuchermischungen unter dem Namen „Spice“ erstmals in Europa auf. Im vergangenen Jahr wurden 58 neue Wirkstoffe auf dem deutschen Markt festgestellt, die inzwischen verbotene Stoffe ersetzten. „Es gibt Hunderte von synthetischen Cannabinoiden, die als psychoaktive Inhaltsstoffe in einer Räuchermischung wirken können“, heißt es auf der Webseite.

Die synthetischen Drogen sind beliebt, weil sie bei gängigen Drogentests als nicht nachweisbar gelten und im Gegensatz zu Cannabis nicht per se illegal sind. Ein Dilemma aus Sicht der Frankfurter Fachleute. Sie warnen vor hohen Risiken für die Gesundheit. Die Drogen könnten „psychotische Episoden, Panikattacken, Herzrasen, Bluthochdruck, Übelkeit und Krämpfe“ hervorrufen und möglicherweise auch Organe schädigen. Es gebe den begründeten Verdacht, dass synthetische Cannabinoide wesentlich gesundheitsschädlicher sind als herkömmliches Cannabis, schreiben die Suchtexperten. Ein weiteres Risiko sei zudem, dass die Mischungen nicht immer die gleichen Mengen immergleicher Substanzen enthielten. Die Konsumenten wüssten deshalb nicht, was sie da eigentlich rauchten.

Zudem seien in letzter Zeit immer häufiger Legal Highs mit einer besonders starken Wirkung festgestellt worden. Carsten Theile von der Beratungsstelle Drobs Hannover spricht regelmäßig mit Schulklassen über Drogen. „Viele Jugendliche sind von Mitteln fasziniert, mit denen sie sich entspannen und aufputschen können“, sagt er. Legal Highs könnten sie leicht im Internet bestellen. Deshalb wolle er die Risikokompetenz der Schüler erhöhen, betont Theile. Die Jugendlichen hätten viele Fragen zur Wirkung und Konzentration – Ratschläge wie „Lasst die Finger davon, weil die Zusammensetzung nicht überprüfbar ist“, kämen hingegen nicht gut an.

Deswegen gibt Theile andere Tipps: Nicht noch Alkohol und andere Drogen konsumieren und nur in Anwesenheit von verlässlichen Freunden Legal Highs ausprobieren, damit die im Notfall Hilfe organisieren. „Meist bleibt es aber bei seltenen Versuchen auf Partys.“  JOACHIM GÖRES