AUF DIE KACKE HAUEN
: Knatternde Touristen

Dutzende verwunderte Augenpaare folgten dem albernen Konvoi

Es war eine Frage der Zeit, bis der Kommerz auf dem RAW-Gelände an der Revaler Straße in Friedrichshain Einzug halten würde. Jedes Mal, wenn ich meinen sonntäglichen Mittagshunger auf dem „Village Market“ gestillt hatte, war ich ganz angetan, aber ich fragte mich auch, wie lange das so bleiben würde.

Irgendwann hatte sich wenige Meter vom Eingang zur „Neuen Heimat“ ein Möbelfritze breitgemacht, der alte Sessel und Stühle verkauft, nix Besonderes, aber mit total übertriebenen Preisen. Und neulich dachte ich beim Stromern über das Gelände: Nachtigall, ick hör dir trapsen. Da war auf einmal dieses Knattern, erst weit entfernt, dann kam es näher. Bald übertönte es die Gespräche und das Zwitschern der Vögel auf dem Platz. Zu dem ersten Knattern gesellte sich ein zweites, ein drittes, ein viertes, als gebe es ein Nest von was auch immer. Nicht nur ich blieb stehen und schaute zu den riesigen Containern, von wo das Knattern kam.

Da tauchten etwa ein Dutzend kleine weiße Autos auf. Sie waren oben offen und sahen aus wie Spielzeugautos. An den kleinen Steuerrädern saßen junge Männer mit schwarzen Helmen auf den Köpfen. Das waren garantiert Touristen, die, nachdem sie schon mit einem Bierbike durch Berlin geschlingert und mit einem Trabant auf Ostsafari gegangen sind, nun mit „Citytour Event Promotion“ auf die Kacke hauen wollten. Dutzende verwunderte Augenpaare folgten dem albernen Konvoi und sahen kopfschüttelnd oder amüsiert zu, wie die kleinen, knatternden Gefährte von dem Gelände rollten. Die Autoräder hatten zwar nur die Größe von Fußbällen, aber sie rollten mit so viel Krach über ausgediente Gleise und brüchigen Beton, dass man meinen konnte, sie wollten die Reste des ehemaligen Reichsbahnausbesserungswerkes, dem ältesten Betrieb in Friedrichshain, dem Erdboden gleichmachen.

BARBARA BOLLWAHN