Linksbewegt und stark rhythmisiert

TEILHABE Als der Konzertsaal zu eng wurde: „Musik für alle“ in der Akademie der Künste erinnert an musikalische Aufbrüche

Vorgestellt werden musikalische Bestrebungen, bei denen sich Musik und Politik gerade mal nicht aus dem Weg gehen sollten

„Musik für alle“, Plattensammler erinnern sich vielleicht, war der Slogan einer Budget-Reihe der Firma Teldec, mit der sie in den sechziger und siebziger Jahren vornehmlich Hitkopplungen und Wiederveröffentlichungen eben zu einem entgegenkommenderen Preis noch einmal unter die Menschen bringen wollte.

So billig will man es sich an der Akademie der Künste (AdK) natürlich nicht machen in Sachen einer „demokratischenTeilhabe“, wenn man diesen Slogan jetzt über ein Konzertwochenende stellt, am Freitag und Samstag mit „Musik für alle“. Was ja auch ein Kampfruf ist. Eine Forderung. Schließlich impliziert der Slogan, dass die scheinbare Selbstverständlichkeit – dass Musik ganz allgemein verfügbar sei – so selbstverständlich nicht ist.

Diskutiert wird das in dem Konzertprogramm vor allem aus einer historischen Perspektive, mit musikalischen Positionen aus den sechziger und siebziger Jahren, mit denen man (oder doch wenigstens manche) rauswollte aus dem bürgerlichen Konzertsaal, ohne deswegen gleich alle Errungenschaften der sogenannten ernsten Musik über Bord zu werfen. Aufbruchsbewegungen analog zu den zeitgleichen Tendenzen in der bildenden Kunst, wie sie derzeit in der AdK in der Schau „Kunst für alle“ mit Grafiken und Multiples aus der Sammlung Staeck zu sehen sind. In deren Rahmen werden nun eben musikalische Bestrebungen vorgestellt mit einem demokratisierten Kunstverständnis, bei dem sich Musik und Politik gerade mal nicht aus dem Weg gehen sollten.

Dass man bei „Musik für alle“ mit einer Komposition von Hanns Eisler einsteigt (mit seiner Musik zu dem proletarischen Film „Kuhle Wampe“), ist dabei nur konsequent – schließlich war der Schönberg-Schüler, Sozialist und Begleiter von Bertolt Brecht der musikalische Stichwortgeber, auf den sich alle in einer linksbewegten Musik einigen konnten in den siebziger Jahren. Als Echo ist Eislers stark rhythmische Agitprop-Version von Neuer Musik auch bei „Workers Union“ zu hören. Das Stück des niederländischen Komponisten Louis Andriessen steht am Freitag gleichfalls auf dem Programm beim Konzert des Landesjugendensembles Neue Musik Berlin, und auch Stücke des Sogenannten Linksradikalen Blasorchesters, dieser Eisler-inspirierten und politaktivistischen Spontikapelle aus Frankfurt, bei der unter anderem der Musiker und Komponist Heiner Goebbels aktiv war. Gespannt darf man sein, wie das Landesjugendensemble deren „Rock gegen rechts“-Stück „Ohne dass ich sagen würde, ich bin der neue Führer“ samt seiner insistierenden und irritierten musikalischen Kommentare zu einem Interviewtext mit dem damaligen Neonazi Michael Kühnen auf die Bühne stemmt.

Weitere Programmpunkte bei „Musik für alle“ kommen auch ohne direkten Eisler-Bezug aus: mit dem Berliner Lautsprecherorchester gibt es am Freitag Stockhausens Radio-Reflexion „Kurzwellen“ zu hören, am Samstag bespielt bei einem Echtzeitmusikabend das Splitter Orchester in verschiedenen Kombinationen die AdK. Wobei auch hier doch ein Satz von Hanns Eisler beherzigt werden sollte: „Wer nur von Musik etwas versteht“, wusste der Komponist, „versteht auch davon nichts.“ Heißt ja wohl, dass Musik immer was mit dem gesellschaftlichen Umfeld zu schaffen hat, in der sie entsteht. Worüber es nachzudenken gilt, für Musikschaffende wie für die Hörenden.

Mit ihrem „Musik für alle“-Programm toppt die AdK übrigens noch die verblichene „Musik für alle“-Serie der Teldec: Ganz weit entgegenkommend heißt es hier bei allen Konzerten Eintritt frei. THOMAS MAUCH

■ „Musik für alle“ in der AdK, Hanseatenweg 10. Fr. ab 20 Uhr, Sa. ab 18 Uhr, www.adk.de