Hassrednerin wird zum Opfer

USA Der IS soll die Verantwortung für den versuchten Anschlag auf eine Anti-Islam-Veranstaltung in Dallas übernommen haben. Ihre Organisatorin ist weltweit vernetzt

„Geller hat die Freiheit, Rassistin und engstirnig zu sein“

LINDA SARSOUR, AKTIVISTIN

VON DOROTHEA HAHN

NEW YORK / HAMBURG taz | Am Dienstag heißen die beiden Männer in den US-Medien „Terroristen“. Elton Simpson und Nadir Soofi waren zwei Tage zuvor, als sie schwer bewaffnet auf das Kongresszentrum in Garland, Texas, zurannten, von einem Verkehrspolizisten auf dem Parkplatz erschossen worden. Ebenfalls am Dienstag bezeichnet die Terrororganisation IS die beiden Toten in einem – nicht authentifizierten – Kommuniqué als „Soldaten des Kalifats“ und übernahm die Verantwortung für das versuchte Attentat. Es wäre das erste IS-Attentat in den USA geworden. Es richtete sich gegen ein Treffen von Islam-HasserInnen, das die New Yorkerin Pamela Geller organisiert hatte und bei dem der aus den Niederlanden angereiste Hauptredner Geert Wilders zur „De-Islamisierung unserer Gesellschaften“ aufrief.

Der Konvertit Simpson, 30, und der Pizzabäcker Soofi, 34, lebten in Phoenix im Bundesstaat Arizona zusammen. Zumindest einer von ihnen stand seit Jahren als Jihad-Verdächtiger unter Beobachtung des FBI. Simpson war 2011 zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden, weil er das FBI angelogen hatte. Er soll eine geplante Reise nach Somalia geleugnet haben. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft wollte er sich dort dem „gewalttätigen Jihad anschließen“, doch der Richter entschied, dass dafür keine Beweise vorlagen.

„Die Schlinge wird enger“, twitterte Simpson in den Tagen vor seinem Tod. Doch seine Angehörigen und die Verantwortlichen der Moschee in Phoenix, in der er zusammen mit Soofi betete, erklären, dass sie nichts von gewalttätigen Absichten wussten. Simpson war als Schüler zum Islam übergetreten. Der Präsident der islamischen Gesellschaft in Phoenix, Usama Shami, beschreibt ihn gegenüber Journalisten als jemanden, der bei den jungen Männern in seiner Moschee beliebt und nie durch radikale Reden aufgefallen sei.

Hingegen ist die New Yorker Bloggerin Pamela Geller für ihre radikalen Anti-Islam-Schriften und Ereignisse national und international bekannt. Das Southern Poverty Law Center führt ihre Organisationen auf seiner Liste von „Hass-Gruppen“. Es nennt die American Freedom Defense, die das Treffen organisiert hat, eine „aktive Anti-Muslim-Gruppe“. 2012 trat Geller in Stockholm beim ersten weltweiten „Counterjihad“ auf. Die britischen Behörden verweigerten Geller die Einreise, als sie 2013 an einem Treffen der English Defense League teilnehmen wollte, dessen Teilnehmer u. a. mit Hakenkreuzen gegen Moscheen demonstrieren. 2009 lud die Gruppe Pro Köln sie als Rednerin zu einem Anti-Islam-Kongress ein. Doch Geller sagte ab.

In Garland, am Stadtrand von Dallas in Texas, organisierte Geller am Sonntag einen Wettbewerb von Mohammed-Karikaturen. Rund 200 Personen nahmen teil. Die veranstaltende Gruppe, American Freedom Defense – die auch den Namen Stop Islamization of America benutzt – zahlte dem Kongresszentrum zusätzliche 10.000 US-Dollar für Sicherheitsvorkehrungen.

Seit der Schießerei hat Geller in Interviews in den USA Gelegenheit, über ihre „Verteidigung von Freiheit und Meinungsfreiheit“ zu reden. Islamische Gruppen in Texas und in New York hatten das Treffen vorab kritisiert. Nach der Schießerei verurteilte die Chefin der texanischen Gruppe CAIR (Council of American Islamic Relations), Alia Salem, den Angriff. Bei einer Pressekonferenz fragte Salem zugleich: „Wann wird ein Treffen, dessen Absicht so offensichtlich Gewalt ist, zur Hass-Rede?“

„Natürlich gilt die Redefreiheit“, erklärte die New Yorker Aktivistin Linda Sarsour: „Geller hat die Freiheit, Rassistin und engstirnig zu sein.“

Mitarbeit: Andreas Speit